Bewahrt die Natur in der Lippeaue

Bewahrt die Natur in der Lippeaue!
30.01.2020

Dattelns größtes zusammenhängendes Naturschutzgebiet liegt südlich der Lippe zwischen Ahsen und Vinnum. Große Teile dieses empfindlichen Bereiches zählen zudem zum besonders geschützten Natura-2000-Gebiet. In den vergangenen Jahren hat der Lippeverband, zuständig für die Ausgestaltung der Lippe und seiner Nebenflüsse, den Flussraum im Raum Ahsen naturnah umgestaltet. Bei dieser Umgestaltung der Landschaft ging es im Kern darum, der Natur Raum und Zeit zur Entfaltung zu geben, sie zu entfesseln und das neue Spiel der Kräfte zuzulassen - ein Paradigmenwechsel im Umgang mit der Landschaft.
Auch wir müssen die zahlreichen Veränderungen anerkennen, die den Lebensraum für Tiere und Pflanzen verbessert haben. Die von Menschenhand geschaffenen Steinböschungen wurden wieder entfernt, die Auenlandschaft mit ihren altarmen und größeren Überflutungsflächen in Hochwasserzeiten wurde wieder hergestellt, eine ehemalige Lippeschleife wurde wieder ausgebaggert, der Fluss wurde flacher und breiter gestaltet, die Fließgeschwindigkei hat abgenommen. Im Gefolge dieser zahlreichen Vebesserungen haben zahlreiche Tiere und Pflanzen angefangen, in den Lippeauen wieder heimisch zu werden, auch weil der Lippeverband als erklärtes Ziel die Absicht verfolgte, den Menschen nur begrenzt Zugang in dieses geschützte Gebiet zu gewähren.


Mit Entsetzen haben wir in diesen Tagen zur Kenntnis genommen, dass auf Haus Vogelsang Pläne gewälzt werden, diesen sensiblen Bereich, dem bereits das Etikett „Wildnis“ angeheftet wird, jetzt für große Besucherströme zu öffnen, mit dem Ziel, diese „Wildnis für ganz viele Menschen erlebbar zu machen“. Im Rahmen der Internationalen Gartenbauausstellung (IGA), die im Jahre 2027 Millionen Besucher ins Ruhrgebiet locken wird, soll die Lippeaue als Außenstelle präsentiert werden, Das bedeutet: einige tausend Besucher werden kommen, die dieses sich langsam entwickelnde, sensible ökologische Kleinod zertrampeln. Das widerspricht allen bisher vom Lippeverband gepredigten Kriterien.
Die Eigentümer von Haus Vogelsang, die Ruhrkohle AG, und ihre Tochter, die Landschaftsagentur plus, suchen verzweifelt nach einer Nachnutzung ihrer leer stehenden Gebäude und Räumlichkeiten, in denen bis vor einem Jahr die Haus Vogelsang Gmbh (HVG) residierte. Die Großveranstaltung IGA kommt ihnen da gelegen, um in Ahsen ein Besucherzentrum mit dazu gehörender gastronomischer Einrichtung und Beherbergungsbetrieb zu eröffnen, natürlich unter dem Mantel Ökologie, Natur und Umweltschutz. Die „Akademie Vogelsang“ soll ein „Bildungsort und Ort des Diskurses über Nachhaltigkeit“ werden. Da natürlich – aus Gründen der Wirtschaftlichkeit – möglichst viele Besucher nach Haus Vogelsang gelockt werden sollen, muss ein wirtschaftlich lohnendes Konzept der touristischen Erschließung her, das vor allem attraktiv für größere Gruppen ist. Mit Hilfe eines ausgeweiteten, intensiv beworbenen Begleitprogramms rücken die benachbarten unberührten Lippeauen in den Fokus der Begierde.

Das sensible Gebiet „Lippeaue“ verträgt diesen massiven Besucherstrom nicht. Dass der Weg zum Wasser an zwei Stellen ermöglicht wird, ist vertretbar; wenn aber neue zusätzliche Wegeverbindungen entlang des Flusses und durch den Wald, gar auch durch den Fluss hindurch, geschaffen werden, wird das die Tier- und Pflanzenwelt, die nach dem Umbaumaßnahmen neue Chancen erhalten hatten, erheblich beeinträchtigt und wieder zurückgeworfen. Es besteht real die Gefahr, dass einige der scheuen, neu angesiedelten Vertreter sich zurückziehen bzw. wieder verschwinden. Bei dauerhaftem Erhalt der für 2027 geplanten zusätzlichen Wegeverbindungen wird das Okösystem dauerhaft schädigen; es wird an Wert verlieren, Tausende Besucher haben hier nichts verloren, was wird von dieser „Wildnis“ übrig bleiben, wenn tausende Touristen in diese geschützten Flächen strömen. Als Folge des menschenfernen, freien Spiels der Kräfte ist eine vielfältige und artenreiche Landschaft entstanden, die stark in Mitleidenschaft gezogen wird, wenn den Menschen derart freier Zugang in diese empfindlichen Lebenswelten gewährt wird, wie das die Organisatoren für 2027 vorsehen.
 Wir bemängeln, dass die Umweltschutzorganisationen NABU und DBV nicht frühzeitig an den Planungen beteiligt wurden. Offiziell hanen sich diese Vereine zwar noch nicht geäußert, aus internen Kontakten wissen wir aber, dass sie konsequent die Meinung vertreten, dass es keiner weiteren Querung der Lippe für Radler und Fußgänger zwischen Ahsen und Rauschenburg bedarf, zumal da auf einer Länge von 8 km damit zu rechnen ist, dass drei Brücken die Städte Datteln und Olfen mitenander verbinden (in Ahsen, an der Rauschenburg, an der Alten Fahrt). Eine Brücke, „Übernachten in der Wildnis“ wie auch zusätzliche Aussichtsplattformen gehören einfach nicht in die Lippeauen, eine wirklich empfindliche Region, die nicht durch gravierende touristische Eingriffe erschlossen werden darf.

Fazit: Wir wehren uns deshalb lautstark gegen die Planungen der RAG und der Landschaftsagentur plus und plädieren ausdrücklich für ein Konzept zur Erhaltung der Natur in den Lippeauen, dass die Kriterien des Naturerhalts verfolgt und nicht zu Lasten des Prinzips der Wirtschaftlichkeit aus der Sicht eines interessierten global players geht.

In einer gemeinsamen Presseerklärung lehnen die Nabu Ostvest und die Naturschutzverbände BUND, LNU das komplette Projekt IGA 2027 in Beteiligung der Stadt Datteln, an der Lippeaue bei Haus Vogelsang ab:

Vor dem Hintergrund, dass die Lippe erst vor kurzem für 14,5 Mio. Euro renaturiert und für die Natur hergerichtet wurde, dürfen keine weiteren Naherholungsprojekte diesen Raum belasten. Wie bereits eine wissenschaftliche Arbeit in Zusammenarbeit mit dem Lippeverband aus dem Sommer 2019 deutlich macht, ist der für die Natur entwickelte Raum bereits heute durch Tourismus und Naherholung mehr als überstrapaziert. Eine weitere Erhöhung der Belastung durch Tourismus und Naherholung ist für diesen Naturraum unerträglich und konterkariert die Bemühungen der Lipperenaturierung.
Es ist unbegreiflich, dass Politiker vor dem Hintergrund des weltweiten Artensterbens - der auch bei uns  „vor der Haustür “ stattfindet - in Naturräume und Rückzugsgebiete für seltene Arten, die gerade wieder die renaturierte Lippeaue besiedeln, diese als ,,Investitionsprojekt“ (Zitat aus dem Beschlussentwurf der Stadt Datteln) ansehen und unter dem Druck der Naherholung vermarkten wollen. Die Argumentation, dass hier Steuergelder verbraucht wurden und die Öffentlichkeit daher einen Anspruch ableitet, dieses Gebiet betreten zu dürfen, wiederspricht grundsätzlich den Bemühungen zum Schutz der Natur vor Ort und der aktuellen weltweiten Situation des Artensterbens.
Grossräumige Schutzbereiche für die Natur (Naturschutzgebiete, FFH-Gebiete, Ausgleichsmaßnahmen) müssen nicht für die IGA 2027 genutzt werden, da genügend Möglichkeiten zur Weiterentwicklung in der Stadt Datteln existieren, wie zum Beispiel der Höttingpark, der Ehrenmalpark und Teile des Mühlenbachs, welcher innerhalb der Stadt zur Verfügung steht. Außerdem bleibt die Möglichkeit bestehen auch Gewerbeflächen zur naturnahen Gestaltung zu nutzen und diese entsprechend umzugestalten.
Der Nabu Ostvest
 

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