Datteln4 Geschichte1

Zur Geschichte des umstrittenen Steinkohlekraftwerks Datteln 4



Die Vorgeschichte

1964, 1965 und 1969 wurden die Kraftwerksblöcke Datteln 1 – 3 in Betrieb genommen; sie wurden am 28. Februar 2014 stillgelegt. Sie dienten zur Erzeugung von einphasigem Bahnstrom sowie Fernwärme. 20 Prozent des deutschen Bahnstromes wurden vom Kraftwerk Datteln erzeugt. 45 Prozent aller Haushalte in Datteln werden durch das Kraftwerk mit Fernwärme versorgt.

Im Landesentwicklungsplan (LEP) 6 war ein Kraftwerkstandort in den Rieselfeldern vorgesehen, nach den damaligen Vorstellung gar für ein kombiniertes Steinkohle-Atomkraftwerk. Es hatte damals sogar einen "Ausflug" des Stadtrates zum Kernkraftwerk Lingen im Emsland gegeben. Ein Thorium Hochtemperatur Reaktor (THTR 300) hat einige Jahre in Hamm-Uentrop Strom produziert. Für die Rieselfelder waren einmal zwei THTR 1200 vorgesehen. Das lief ins Leere, als sich in Hamm zeigte, dass die gewählte Technologie nicht funktionierte.

Für  den Standort Rieselfelder wurden im LEP 6 immer eine Fläche für flächenintensive Großvorhaben und Platz für ein Energiezentrummit Kohle/Atom in der Mitte landesplanerisch gesichert, Die Nutzung der Atomenergie wurde bei einer späteren Fortschreibung des LEP 6 herausgenommen, die Nutzung der Kohlenergie blieb und war noch vorgesehen, als Eon mit den Planungen für Datteln 4 begann.

Der jetzige Standort für Datteln 4 im Flächennutzungsplan der Stadt Datteln war ursprünglich als "Ökologischer Gewerbepark Löringhof" ausgewiesen. Eon hatte dort im südlichen Abschnitt bereits ca. 11 Hektar erworben und diese Fläche immer als Erweiterungsfläche von Datteln 1 – 3 deklariert. Nachdem Eon einem Landwirt weitere 50 Hektar abgekauft hatte, reichte Eon im Frühjahr 2005 bei der Stadt den Antrag ein, dort durch einen passenden neu aufzustellenden Bebauungsplan die Voraussetzungen für den neuen 1050 KW Monoblock zu schaffen.

Datteln 1-3 im März 2006



Phase 1: Der gescheiterte Bebauungsplan 105

März 2005         Aufstellungsbeschluß des Rates der Stadt Datteln für die Erstellung eines Bebauungsplans 105 für den Bau eines Kraftwerks. Das Projekt war erst unmittelbar vor der Einbringung in die Ratsgremien öffentlich  und den Ratsvertretern bekannt geworden. E.on legte einen äußerst engen Zeitplan für die einzelnen Verfahrensschritte vor und verlangte von der Politik sofort eine definitive Entscheidung, dass der Rat die Planungen mittrug. Außer den Grünen sahen die anderen Ratsfraktionen keine Probleme.
Seitdem gibt es Proteste. Umweltschützer kritisieren, dass der neue Kraftwerksblock jährlich über sechs Millionen Tonnen CO2 ausstoßen werde - während der voraussichtlichen Betriebszeit von 40 Jahren. Zudem werde - auch bei einem Wirkungsgrad von über 45 Prozent - mehr als die Hälfte der in der Kohle enthaltenen Energie ungenutzt über den 180 Meter hohen Kühlturm verpuffen.

04.01.2006          E.on Kraftwerke GmbH stellt bei der Bezirksregierung Münster einen Antrag auf Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids für das Kraftwerk Datteln 4. Ein Antrag auf Erteilung der 1. Teilgenehmigung folgt (Baufeldfreimachung, Baustelleneinrichtung).
08.01.2006         Spaziergang der Kraftwerksgegner auf Löringhoff: Abschied von Busch und Wiesen

14.01.2006         E.on stellt bei der zuständigen Bezirksregierung Münster den Antrag auf Genehmigung zum Bau und Betrieb des Steinkohlekraftwerks Datteln 4. Durch den Neubau eines Kraftwerksblocks mit einer elektrischen Leistung von 1.050 MW (2.600 MW Feuerungswärmeleistung) wollte der Energiekonzern die bisherigen Standortkapazitäten verdreifachen. Die ab 1964 gebauten Blöcke 1 bis 3 mit einer Leistung von insgesamt 300 MW hatten ihre maximale Laufzeit erreicht und mussten stillgelegt werden.

16.03.2006         Ende der Einwendungsfrist im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung;  zahlreiche engagierte Bürgerinnen und Bürger und auch der BUND geben umfangreiche Stellungnahmen zum Kraftwerksvorhaben ab.
15.05.-17.05.; 21.06.-23.06.2006:       Erörterungstermin in der Dattelner Stadthalle

19.01.2007         Satzungsbeschluß des Bebauungsplans 105 durch den Rat der Stadt Datteln für den Bau eines Kraftwerks. Die erwünschte Einhausung des Kohlelagers wird aud Druck des Vorhabenträgers E.on fallengelassen, weil dies zu einer erneuten Offenlegung und damit Verzögerung geführt hätte. Gegen den Bplan wird von Waltroper Bürgern  eine Normenkontrollklage eingelegt, die erst im September 2009 vor dem OVG Münster verhandelt wird..

31.01.2007         Immissionsschutzrechtlicher Vorbescheid der Bezirksregierung Münster (letztmalig geändert am 15.05.2011) zur Errichtung und zum Betrieb des Kraftwerks Datteln 4 sowie im weiteren Verlauf fünf immissionsschutzrechtliche Teilgenehmigungen auf der Grundlage des Bebauungsplans Nr. 105 E.ON Kraftwerk.  Der BUND NRW versucht ohne durchschlagenden Erfolg, den sofortigen Baubeginn auf dem Klageweg zu verhindern. E.on setzt sich durch und verpflichtet sich für den Fall, dass endgültig keine Baurecht zu schaffen sein sollte,  den Ursprungszustand des Baugeländes wieder herzustellen

09.02 2007           Erster Spatenstich: Beginn der Bauarbeiten eines komplett neues Kraftwerks am Standort Datteln auf der gegenüberliegenden Seite des Dortmund-Ems-Kanals durch die E.on Kraftwerke GmbH – heute: Uniper Kraftwerke SE. Auf der Grundlage der 1. bis 5. Teilgenehmigung wurden die Herstellung des Baugrundstücks vorgenommen und eine Vielzahl von Gebäuden, insbesondere der Kühlturm, das Kesselhaus und das Maschinenhaus errichtet.  (Foto: Andreas Kalthoff, Dattelner Morgenpost)
Das Kraftwerk Datteln 4 hat eine Gesamtleistung von 1100 MW (brutto) und 1052 MW (netto) (2.600 MW Feuerungswärmeleistung), die von einem Kraftwerksblock erzeugt wird. Der Kühlturm, der durch eine Reingaseinleitung auch die Abgase des Kraftwerks ableiten soll, hat eine Höhe von ca. 180 m, das Kesselhaus eine Höhe von 125 Meter. Nachbarn empfinden diese Gebäude als bedrohlich; durch den geringen Abstand von weniger als 500 Metern zwischen ihren Wohnhäusern und dem Kraftwerk fühlen sie sich optisch massiv bedroht.

Mai 2007         Die Klagen des BUND gegen den Planfeststellungsbeschluss zum Bau eines Parallelhafens und der Verlegung des Ölmühlenbachs im Rahmen des Ausbau des Kohlekraftwerk Datteln werden eingereicht. Auch gegen den Planfeststellungsbeschluss für eine 380 kV-Freileitung zur Anbindung des Kohlemeilers an das Stromnetz klagte der BUND.  (1., 4. und 5. Teilgenehmigung der BzR Münster)
Ein Eilantrag und aufschiebende Wirkung der Klagen wird vom Gericht abgeleht. Nur unter der Verpflichtung, das Kraftwerk wieder abzureißen und das Gelände zu rekultivieren, falls es gerichtlich scheitert, darf E.on weiterbauen.
12.11.2007     Grundsteinlegung. Festakt mit Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers (CDU) – während der Protestaktion blockieren Aktivisten die Löringhofbrücke mit einem Seil, an dem auf der anderen Seite unter der Brücke einer der Aktivisten hängen soll; doch der stürzt bei der Aktion in den bitterkalten Dortmund-Ems-Kanal. (Fotos. Hans Blossey, WAZ (2); Anfreas Kalthoff, Dattelner Morgepost)
https://www.waz.de/staedte/vest/am-neuen-eonkraftwerk-wurde-der-grundstein-gelegt-id2067342.html

25.04.2008     Die Klage des BUND gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Kraftwerks wird eingereicht.
Bau des Kühlturms und des Kesselhauses im Juni 2008

Dezember 2008     Greenpeace-Aktivisten demonstrieren erstmals vor der Baustelle von Datteln 4.   (Foto: Andreas Kalthoff)

01.03.2009         Erstes „Interkommunales Heimleuchten“ am Datteln-Hamm-Kanal in Waltrop: Unter dem Motto: „Wir wollen keine großen Dreckschleudern” stehen mehr als 2000 Kraftwerksgegner mit ihren Fackeln auf beiden Seiten des Kanals zwischen Waltrop und Lünen als Protest gegen den geplanten Kraftwerksbau, der sich insbesondere gegen das Trianel-Kraftwerk auf der Stadtgrenze zu Lünen gelegen und das E.on-Kraftwerk in Datteln wendet.

03.09.2009         Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster erklärt den Bebauungsplan 105 der Stadt Datteln für unwirksam, das Bundesverwaltungsgericht Leipzig bestätigt diese Entscheidung am 16.03.2010: der Bebauungsplan für Datteln 4 wird aufgehoben, u.a. weil die Stadt Datteln das Gefährdungspotential des Kraftwerkes und den Schutz der Bevölkerung nicht ausreichend beachtet habe. Ein gegen den Bebauungsplan für das Kraftwerk gerichteter Normenkontrollantrag eines benachbarten Landwirtes hatte vor dem OVG Erfolg.
Die Stadt Datteln habe das Gefährdungspotential des Kraftwerks und den Schutz der Bevölkerung im Falle eines nicht auszuschließenden Störfalls in der Abwägung nicht ausreichend beachtet. Auch sei den Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes nicht ausreichend Rechnung getragen worden. Fraglich sei außerdem, ob die Auswirkungen des etwa 180 m hohen – auch die Abgase ableitenden – Kühlturmes auf die benachbarte Wohnbevölkerung und das Landschaftsbild sowie die zu erwartenden Luft- und Lärmimmissionen ausreichend ermittelt und abgewogen worden seien.
Thomas Krämerkämper (BUND) damals: "Datteln hat sich als Erfüllungsgehilfe von Eon erwiesen, weil die Ratsmitglieder nur auf der Grundlage von Konzern-Unterlagen entschieden haben, anstatt externen Sachverstand heranzuziehen."
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2009/10_D_121_07_NEurteil20090903.html

14.09.2009         Erlass eines vorläufigen Teilbaustopps für das Projekt Datteln 4 durch die Bezirksregierung Münster.

Die Kläger gegen Datteln 4 feiern ihren Erfolg  (Foto: Andreas Kalthoff, Dattelner Morgenpost, 03.10.2009)
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