Haushalt 2023

Nein zum newPark!

08.02.2023


Haushalt 2023 abgelehnt

Nachdem belastbare Zahlen über die Landeszuweisungen aus Düsseldorf erst im Dezember letzten Jahres zur Verfügung gestellt worden waren, kam es jetzt im Rat zur Verabschiedung des Haushalts 2023. Unser Sprecher Marco Zerwas hat die Haltung der Wählergemeinschaft zum Ausdruck gebracht, wegen der hohen Planungskosten für das unsinnige newPark-Projekt diesem Haushalt nicht zuzustimmen.

Rede zum Haushalt 2023

Dr. Marco Zerwas, Wählergemeinschaft Die Grünen Datteln

08.02.2023


Sehr geehrter Herr Bürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen,


allen gemeinsam, ist uns in diesem Rahmen, dass wir in einer sehr spannenden, aber auch sehr wichtigen Zeit Politik machen. Die Corona-Krise, mit all ihren gesellschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen, ist zwar abgeklungen, aber eigentlich noch fester Bestandteil unseres Alltags. Niemand weiß, ob die Sache ausgestanden ist. Seit mittlerweile fast einem Jahr sind wir nun mit den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs konfrontiert.


In beiden Sachverhalten haben wir hier gemeinsam als Verwaltung und Rat das Krisenmanagement betrieben und unsere Handlungsfähigkeit bewiesen. Die Ausführung der staatlichen Vorschriften, die Umsetzung der Hygienevorschriften haben auf die gesamte Dauer Millionen gekostet, die Unterbringung Geflüchteter in Turnhallen und Containern wird dies kumuliert auch betragen. Die Kosten dieser von uns gezogenen Handlungsoptionen werden uns uns über die Isolierung der Haushaltsposten noch mehrere Jahrzehnte beschäftigen.


Wir machen aber auch deshalb in einer sehr wichtigen Zeit Politik, weil der Blick in die nahe Zukunft nicht kleinere, sondern eher noch größere Herausforderungen für uns bereithält. Denn uns bleibt nicht mehr viel Zeit, um Klimakrise und Artensterben noch in den Griff zu bekommen. Um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sichern, um bei den großen Umwälzungen der Digitalisierung den Anschluss zu behalten, um uns zukünftig besser für Pandemien und globale Ausnahmesituationen zu wappnen. Und dazu müssen wir konkret bei uns in der Stadt Datteln einen Beitrag leisten.


Ich glaube, dass wir diese Herausforderung nur dann in den Griff bekommen, wenn Politik bereit ist, aktiv zu gestalten. Nur wenn wir heute Dinge verändern und aktiv die Weichen stellen, bewahren wir das, was uns lieb ist, und sichern die Lebensmöglichkeiten kommender Generationen. Nicht das Weiter-So, nicht das kleine Korrigieren, wenn man von Krisen getrieben ist, sichert Zukunft, sondern aktive Politik.


Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns in dieser Wahlperiode aktiv Politik machen. Diese 20er Jahre werden entscheidend sein!

Um gestalten zu können, braucht es auch die notwendigen Ressourcen, denn Sparen mit der Rasenmähermethode funktioniert nicht. Wir müssen heute in den entscheidenden Bereichen investieren - Klimaschutz, Bildung und Jugendhilfe, nachhaltige Mobilität, Digitalisierung, Prävention. Für uns gilt: Mehr politische Initiativen und mehr Investitionen in Zukunftsprojekte.

Natur- und Klimaschutz
Zu solchen politischen Initiativen gehört eine ganze Reihe von Anträgen meiner Fraktion, die darauf abzielen, die vielen Defizite beim Arten- und Naturschutz abzustellen. Zum Beispiel die ökologische Umgestaltung unserer Umgebung, bspw. Auf Friedhöfen oder die bereits begonnenen Grünstreifen. Wie bereits meine Vorredner der Wählergemeinschaft in jeder Haushaltsrede bisher betonten: Wir sind mitten drin in einer menschengemachten Aussterbekatastrophe! Und jedes Mal wenn eine Art geht, reißt sie eine Laufmasche in das Netz der Arten, das die Grundlage unserer Existenz ist.
Wir müssen also ganz grundlegend etwas ändern: Indem wir die Flächenversiegelung stoppen, indem wir der Natur wieder mehr Raum geben, indem wir Pestizide massiv reduzieren und indem wir mehr Vielfalt in die Landschaft bringen, indem wir Bäuerinnen und Bauern bei der Pflege einer echten Kulturlandschaft unterstützen und indem wir unsere Wälder erhalten und schützen.


Dabei gilt: Naturschutz und Klimaschutz können nur gemeinsam erfolgreich sein. Jedes Zehntelgrad Klimawandel heizt das Artensterben an. Gleichzeitig sind natürliche Ökosysteme – Baumbestände, Wiesen, Gewässer – und natürlich auch landwirtschaftlich genutzte Flächen - wichtige Verbündete beim Klimaschutz, da sie große Mengen CO2 binden. Zudem sind sowohl die Klimakrise als auch der Verlust der Biodiversität existenzielle Bedrohungen für das Leben auf dieser Erde. Daher müssen beide als Teil der ökologischen Krise wirksam bekämpft, statt gegeneinander ausgespielt oder instrumentalisiert zu werden. Wir brauchen mehr Investitionen in natürlichen Klimaschutz und gleichzeitig in eine naturverträgliche Energiewende.

Und an der Stelle muss ich auch nochmal leider sagen, dass beim Klimaschutz bei der Verwaltungsspitze Reden und Handeln nach wie vor auseinander klaffen. Bereits im vergangenen Jahr haben wir ein Verkehrskonzept in Auftrag gegeben, auf dessen Ergebnisse wir äußerst gespannt sind Wir werden verfolgen, wie der Bürgermeister die hoffentlich von diesem Gutachten ausgehende Verkehrswende angeht. Bleibt es bei minimalinvasiven Eingriffen in das Primat des Autos und seines Stellenwerts im öffentlichen Raum, oder besitzt der Bürgermeister den Mut, eine echte Verkehrswende anzugehen, die den öffentlichen Raum neu verteilt, Fußgängern und Radfahrern einen sicheren Raum zuweist, der nicht übriggeblieben ist, sondern selbstverständlich zusteht. Machen wir uns nichts vor: der heute beschlossene Radweg als „sichere Nord-Süd-Verbindung“ kann nur eine Übergangslösung sein. Die Nord-Süd-Trasse Dattelns ist die Castroper bzw. Wittener Str., die B235, bei der wohl konkret die Parkstreifen weichen müssen, damit der Raum neu verteilt werden kann. Der Parkplatz vor der Haustür auf der Straße ist kein Menschenrecht, sondern ein Artefakt der Nachkriegszeit, bei der das Auto Wiederaufbau und Wohlstand für alle versprach. Diese Zeiten sind vorbei. Zu dieser Verkehrswende gehört auch eine neu zu schaffende Infrastruktur von Fahrradständern und Mobilitätsstationen. Wir werden uns die Sache etwas kosten lassen müssen und Geduld haben, denn das sind Zukunftsaufgaben für Jahrzehnte. Anpacken müssen wir sie dennoch – und zwar bald. In diesem Sinne stünde es der Stadt durchaus gut zu Gesicht, den Beitritt zur AGFS zu beschleunigen.


Unser Pfund ist, dass wir mittlerweile Mitarbeiter*innen im Rathaus haben – die mit viel Kreativität und Gestaltungswillen diese Aufgaben angehen. Unsere Aufgabe in diesem Rat ist es, diese Arbeit politisch und finanziell besser zu unterstützen.


Kinder und Jugendliche
Ein Zukunftsthema per Definition sind Kinder und Jugendliche. Der Bedarf an neuen KiTas ist weiter gegeben, allerdings auch der Aufwand für die stationäre Jugendhilfe durch städtische Sozialarbeiter*innen. Das eine ist erfreulich, das andere muss uns nachdenklich stimmen. Wir als Fraktion warnen davor, Leistungen für Kinder, Jugendliche und ihre Familien vorrangig als finanzielle Belastung zu sehen, sie sind die Zukunft dieser Stadt, unserer ganzen Gesellschaft.


Die letzten Jahre haben sich zusätzlich und grundlegend belastend auf das Leben von Kindern und Jugendlichen ausgewirkt. Durch den Verzicht auf Kontakt zu Freunden, auf Kita- und Schulbesuche, Sport- und Freizeitangebote sowie außerschulische Lernerfahrungen mussten sie einen erheblichen Teil zur Krisenbewältigung beitragen.
Das Jugendamt muss sicherstellen können, dass Kinder und Jugendliche bei gut und vor allem sicher aufwachsen können – und hat damit eine gesetzlich vorgeschriebene Pflichtaufgabe zu erfüllen. Wenn Teilhabe, Chancengerechtigkeit, Kinderrechte und Kinderschutz nicht nur leere Schlagwörter sein sollen, braucht es dafür die richtigen Rahmenbedingungen. Mit Blick auf die sozialen Leistungen in diesem Bereich bedeutet das aus unserer Sicht, und da sind wir uns hier in dieser Stadt fraktionsübergreifend einig, keine Diskussionen über Leistungsminderungen für Kinder, Jugendliche und Familien zu führen, sondern Bund und Land deutlich mehr in die Pflicht zu nehmen.

Vielfalt und Soziales
Die tatsächlichen Auswirkungen der vielleicht vergangenen Pandemie sind nicht nur bei Kindern und Jugendlichen bei weitem noch nicht absehbar. Es ist davon auszugehen, dass es vielen Menschen finanziell schlechter gehen wird und, dass die Zahl der Bedarfsgemeinschaften wieder ansteigt. Auch weil viele Unternehmen und Selbstständige nach wie vor in einer wirtschaftlich extrem angespannten Situation sind. Wir wollen das gut in den Blick nehmen, um frühzeitig geeignete Strategien entwickeln zu können.


Zum Abschluss noch ein paar Worte zum Personalplan. Joe Biden hat während seines Wahlkampfes und auch danach immer wieder betont, dass er eine Regierung möchte, die so aussieht wie Amerika. Ich würde mir wünschen, dass wir in Datteln auch einen Rat und eine Stadtverwaltung hätten, die so aussehen wie die Bevölkerung der Stadt. Das ist eine Frage von demokratischer Repräsentation, aber das ist auch eine Frage von guter Politik. Denn nur dann, wenn wir alle Perspektiven breit abbilden, glaube ich, kommen wir zu guten politischen Entscheidungen.

Und das heißt endlich mehr dafür zu tun, dass Frauen stärker in Führungspositionen berücksichtigt werden. Endlich mehr dafür zu tun, dass junge Menschen viel stärker zu Wort kommen, genauso wie Menschen mit Diskriminierungs- oder Zuwanderungserfahrungen.
Ich meine, schauen Sie sich mal die Zusammensetzung dieses Stadtrats an. Schauen Sie sich die Zusammensetzung an und überlegen Sie sich mal ob - ich sag mal - die Bevölkerungsgruppe unter 40 und erst recht die Bevölkerungsgruppe unter 30 hier angemessen vertreten ist? Wo sind die Menschen mit Zuwanderungsgeschichte? Wo ist ihre Perspektive, wo ist die Perspektive der Menschen, die in ihrem Alltag regelmäßig Diskriminierungen erfahren? Sei es bei der Wohnungssuche, sei es bei der Jobsuche, sei es im Kontakt mit staatlichen Behörden oder Sicherheitsorganen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir müssen mehr dafür tun, damit Verwaltung und Stadtrat endlich so aussehen wie ihre Bevölkerung. Und ich denke, wir sollten das konkret über den Stellenplan und über den Haushalt angehen, das in den strategischen und operativen Zielen abbilden und entsprechende Programme, wie das heute vorgestellte Konzept für die Personalgewinnung und Personalbindung, auch mit ausreichend Ressourcen unterlegen. Dass die Stadt ohne Stadtplaner dasteht, darf kein Dauerzustand sein und muss durch eine engagierte Neubesetzung entgegengewirkt werden, damit wir uns den zuvor wichtigen Themen der Zukunftsorientierung stellen können.


Und ich werbe sehr dafür, dass wir die Offenheit dafür haben und den Mut haben, das anzugehen. Es ist im Interesse von uns allen, Demokratie breit zu stärken, sie gesellschaftlich zu verankern, auch, um den geistigen Brandstiftern und rechtsextremen Hetzern keinen Fuß breit an Boden zu bieten.


Ich wünsche uns im kommenden Haushaltsjahr gute Debatten und zukunftsweisende politische Beschlüsse. Allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung danke ich sehr für Ihren Einsatz und die Bearbeitung unserer politischen Initiativen.
Insbesondere der Kämmerei danke ich für die Erarbeitung des Haushalts- und Stellenplans. Dem Stellenplan können wir in der vorliegenden Form auch zustimmen.


Es wird aus der Erfahrung der vergangenen Jahr allerdings wohl nur Wenige überraschen, dass wir trotz guter Initiativen der Verwaltung, wie das Haus der Familie, das mittlerweile wohl Prognosen zufolge die 8 Millionen Euro Marke als Gesamtinvestitionsvolumen reißen wird, genauso wie den Ideen unserer politischen Mitbewerber, die wir, wenn sie guten und nachhaltigen Perspektiven folgen, immer gerne beitreten, diesen Haushalt in Gänze ablehnen müssen. „Müssen“ ist dabei der richtige Begriff.


In seiner Haushaltsrede im Kreistag hat der Vorsitzende einer großen Fraktion von der besonderen Verantwortung seiner Fraktion gesprochen, dem Kreishaushalt zuzustimmen und damit Verantwortung zu übernehmen. Wenig Verständnis zeigte er dafür, dass die Grünen im Kreistag den Haushalt nicht mitbeschließen konnten. Im Kreistag wie auch hier ist es der NewPark in den Dattelner Rieselfeldern, der mit einem Flächenverbrauch von 156 ha zu Buche schlagen soll, der diese Zustimmung verhindert. Das ist, wie in den letzten Jahren schon immer ausgeführt, kein Projekt mit Weitsicht, wenn auch dort 9.000 Arbeitsplätze entstehen sollen, sondern ein unökologischer Flächenfraß für ein Industriegebiet, das vermutlich nie entstehen wird. Die erneute Offenlegung des Bebauungsplans 100 zeigt, dass sich die NewPark GmbH und die Stadt Datteln nicht in der Lage sehen, die gebrachten Einwendungen verbal zurückzuweisen. Eine Reihe neuer, teurer Gutachten werden nötig werden, um vielleicht gerichtsfest diesen Bebauungsplan aufzustellen. Schall, Schadstoffe, Landwirtschaft, Niederschlag und Wasserhaushalt sind die Stichworte, die diese Bedarfe an neuen Gutachten leiten. Dabei ist es so einfach: Betreiben wir einfach die effektive Nachnutzung von Emscher-Lippe oder bald die von Datteln 1-3, hoffentlich nur wenig später die von Datteln 4. In den Rieselfeldern ist die Verwaltungsspitze des Kreises und der Stadt dabei, eine dringend benötigte Frischluftschneise abzuschneiden, Eingriffe in FFH vorzunehmen und zuletzt auch Ackerflächen zu zerstören. In Zeiten, in denen der Globalisierung entgegengewirkt werden soll, lange Transportwege von Lebensmitteln durch Verbraucher längst durch erhöhte Nachfrage von regionalen Lebensmitteln entgegengewirkt werden soll, hat man offensichtlich keine bessere Idee, als die Arbeitsplätze und die Lebensgrundlage lokaler Bauern zu zerstören.


Ist das die Verantwortung, von der im Kreistag gesprochen wurde? Verantwortung ist es, nach den bereits für die Planung dieses Projekts versenkten Millionen nun die weiteren Ausgaben in Höhe von 350.000 EUR im Jahr 2023, die auf bereits geflossene 550.000 EUR allein im Jahr 2022 folgen, zu stoppen. Dem Finanzmittelfehlbetrag in Höhe von 4,7 Mio. EUR bzw. dem daraus resultierenden Saldo aus Finanzierungstätigkeit in Höhe von 7,7 Mio. EUR täten diese gestrichenen Posten gut. Unseren Flächen direkt vor der Haustür, unserer Umwelt und der Zukunft unserer Kinder täte diese Einsparung allemal gut. Meine Damen und Herren, wer dafür den Mut hat, seine Verantwortung den Wähler*innen und Bürger*innen zu übernehmen und dieses seit Jahrzehnten siechende Projekt zu stoppen, der weiß, wo der Frosch die Locken hat. Wir lehnen den Haushalt in der vorgelegten Form aus vorgenannten Gründen ab.


Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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