Schottergaerten in Dorsten

In der aktuellen Berichterstattung:


Die politische Debatte um Schottergärten in unseren


Nachbarstädten: Dorsten

Klimakrise

Schotter oder Parkplatz statt Vorgarten:


„Da muss man härter rangehen“


Wer sein Grundstück zuschottert oder Vorgärten zupflastert, handelt rechtswidrig. Steinwüsten verstoßen gegen Bau- und Planungsrecht - trotzdem gibt es in Dorsten immer mehr davon.


von Claudia Engel, Dorstener Zeitung / 02.12.2020 /


Sie sind hochumstritten, aber heiß begehrt: Schotterflächen vor Häusern. Besitzer nennen sie Schotterbeete, Naturschützer Steinwüsten. Eigentümer berufen sich auf ihr Rechtsempfinden, dass sie auf ihrem Grundstück tun und lassen können, was sie wollen.

Die zugeschotterten Flächen verstoßen laut Leitfaden des Städte- und Gemeindebundes NRW aber gegen Bau- und Planungsrecht. Das könne mit einem Bußgeld und einer Rückbauverpflichtung belegt werden, sagt der Bund. Stadtverwaltung und Politik in Dorsten wollen Eigentümer aber nicht schikanieren.


Sie verfolgen einen anderen Kurs, um Menschen zum Umdenken zu bewegen: zum Beispiel durch Ausloben von Preisen für gelungene Vorgartengestaltung. Oder Ermundterung zum ökologischen Gartenbau. Ziel sei es, den Grünanteil auf privaten Flächen zu bewahren und nach Möglichkeit zu erhöhen. Das sagt Umweltausschussvorsitzender Friedhelm Fragemann auf Anfrage der Redaktion.


Rechtswidriges Verhalten stärker ahnden

„Diese Friedhofsarchitektur in Vorgärten müsste viel stärker überprüft und entsprechend geahndet werden“, fordert er aber auch. Er sagt: „Wir müssen Bürger härter angehen, die illegal handeln.“ Rechtswidrig sei vor allem, dass manche Hauseigentümer ihre Vorgärten komplett zu befestigten Parkplätzen machen. „Das dürgen sie nicht“, so Fragemann.


Diese Auffassung teilt auch die Stadtverwaltung, vermeidet aber die Konfrontation mit dem Bürger, wie dem Protokoll der letzten Ausschusssitzung zu entnehmen ist. Darin heißt es u.a.: „Das Bauordnungsrecht verlange eine Begrünung im Vorgartenbereich, eine Einzelfallprüfung erfolge. Wichtig sei eine überzeugende Broschüre zur Gestaltung, in der die Belange nachvollziehbar dargelegt werden,um einen Affront zur Bürgerhaltung zu vermeiden.“


Vorgärten für weitere Stellflächen für Autos geopfert

Beispiele für eine Einzelfallprüfung finde das städtische Bauordnungsamt an der Parallelstraße in Holsterhausen. Oder in der benachbarten Humboldtstraße, wo der Vorgarten dem zugepflasterten Platz für den Zweit- oder Drittwagen geopfert wurde. „Ich verstehe ja, dass alle Abteilungen der Verwaltung wegen Corona am Rande ihrer Möglichkeiten sind, aber hier muss was unternommen werden“, findet Friedhelm Fragemann.


Dass den „Gärten des Grauens“ überhaupt so umfassender Diskussionsraum in Dorsten gewidmet wird, ist der Klimakrise geschuldet. Die letzten Jahre wurden immer trockener und heißer, die zusätzliche Aufheizung durch die Vielzahl von Schotterflächen ist ein Grund, warum sie Steine des Anstoßes sind.


Erkennbar starke Zunahme geschotterter Flächen

Außerdem hat die Zahl der zugeschotterten Flächen in Dorsten erkennbar stark zugenommen. Eine Überschreitung der Grundflächenzahl (GRZ), also eine Überschreitung der erlaubten Befestigung auf einem Grundstück, kann zu Problemen bei der Niederschlagswasserbeseitigung führen.


Soweit Überschreitungen der GRZ bekannt sind, erfolgt eine Überprüfung durch das Bauordnungsamt der Stadt Dorsten. Das hat die Verwaltung dem Umweltausschuss mitgeteilt. In wie vielen Fällen solche Überschreitungen vorliegen, konnte die Verwaltung adhoc nicht beantworten.


Möglichkeiten zum Zuschottern begrenzen

Der Umwelt- und Planungsausschuss regte an, dass in Neubaugebieten die Möglichkeiten zum Zuschottern von Flächen begrenzt werden sollen. Die Festsetzung in Bebauungsplänen solle so geplant werden, dass nach Abzug von Zufahrten, Stellplätzen usw. „die dann verbleibende Fläche zu 80 Prozent begrünt werden müsse“. Darüber wird noch zu diskutieren sein.


Zweifellos aber gibt es die Begrünungspflicht im Vorgartenbereich laut Landesbaurecht. Ein Recht auf einen Schottergarten, wie viele Eigentümer annehmen, gibt es nicht.

​Landesbauordnung NRW



Schottergärten sind rechtswidrig –


Dorstener lieben sie heiß und innig


Schottergärten stoßen vielen Menschen in Dorsten auf. Gegen Unvernunft, Unverständnis oder sogar bewussten Rechtsbruch von Hauseigentümern will ein breites Bündnis einschreiten.


von Claudia Engel, Dorstener Zeitung / 25.08.2021


Schottergärten sind laut Landesbauordnung NRW rechtswidrig. Trotzdem sprießen sie in vielen Vorgärten in Dorsten aus dem Boden. Nicht jeder Dorstener weiß, dass er mit dem Zuschütten des ehemaligen Vorgartens mit Steinen einen Rechtsbruch begeht. Das wusste selbst der Vorsitzende des Bauausschusses, Dr. Thomas Grund, nach eigenem Bekunden nicht: „War mir nicht klar, dass das nicht erlaubt ist.“


​Das steht in der Landesbauordnung

Die nicht überbauten Flächen der bebauten Grundstücke sind

1. wasseraufnahmefähig zu belassen oder herzustellen,

2. zu begrünen, zu bepflanzen und so zu unterhalten, soweit sie nicht für eine andere zulässige Verwendung benötigt werden.

Anlagen müssen nach Form, Maßstab, Verhältnis der Baumassen und Bauteile zueinander, Werkstoff und Farbe so gestaltet sein, dass sie nicht verunstaltet wirken. Anlagen sind mit ihrer Umgebung so in Einklang zu bringen, dass sie das Straßen-, Orts- oder Landschaftsbild nicht verunstalten.

Die Diskussion um Schottergärten ist im politischen Raum in Dorsten nicht neu, wurde aber im Bauausschuss aufgrund eines Antrags der „Fraktion feat. Die Linke“ zum wiederholten Male aufgegriffen. Auf satirische Weise hatte Manuel Seth den Stein ins Rollen gebracht. Zwar behagte die Tonalität des Antrages den anderen Fraktionen nicht, aber im Grundsatz waren sich alle Fraktionen einig: „Wir müssen dieses sehr berechtigte Thema neu aufgreifen.“


Bürgermeister ist gegen „Schottergartenpolizei“

Die Frage, wie man gegen Schottergärten vorgehen kann, ist nicht einfach zu beantworten. Bürgermeister Tobias Stockhoff sprach sich in einer früheren Sitzung des Umwelt- und Planungsausschusses gegen eine „Schottergartenpolizei“ für Dorsten aus. Denn wer solche Anlagen auf seinem Grundstück zulässt, müsste eigentlich bestraft werden.


Die „Fraktion“ hatte dazu einen satirischen Vorschlag: „Die Eigentümer sollen von der Verwaltung aufgefordert werden, ihre Schottergärten zu asphaltieren und als Parkplatz zu nutzen oder zu begrünen und zu bepflanzen, wie es das Gesetz vorsieht“. Zusätzlich, das schlug die Fraktion auch vor, „sollen die Eigentümer sehr viel Geld als Buße an die Stadt Dorsten zahlen“.

Die Stadt hat aber ganz sicher nicht vor, sich die Taschen voll zu machen, indem sie Hauseigentümer für ihre „Unwissenheit“ bestraft. Interessanterweise sind es nicht immer die Hauseigentümer, auf deren Mist die Anlage eines Schottergartens gewachsen ist. „Ich habe festgestellt, dass es Gartenbauunternehmen sein können, die in Kenntnis der Rechtslage trotzdem solche ‚Gärten‘ anlegen oder gar ehemalige Vorgärten zupflastern, damit Autos dort stehen können“, sagte Stadtbaurat Holger Lohse. In seinem Heimatviertel in Dorsten seien Parkflächen entstanden, zu denen die Autos verbotenerweise nur über Rad- und Fußwege gelangen können.


​Grün statt Grau – Schottergärten sind klimaschädlich

Warum Schottergärten so viel Kritik verursachen, hat die Verwaltung in der Vorlage „Grün statt Grau“ sehr deutlich gemacht: „Diese Flächen haben einige Nachteile für unsere Umwelt. Neben der Reduzierung der Vielfalt unserer Pflanzen- und Tierwelt in der Stadt heizen sich diese Flächen stark auf und sind somit auch aus klimatischer Sicht wie versiegelte Flächen zu betrachten.“

Insekten- und vogelfeindlich sind diese Steinwüsten auf jeden Fall. Und auch die Hauseigentümer, die aus Bequemlichkeit oder Unkenntnis das Grüne und Bunte dem Grau geopfert haben, dürften in Hitzeperioden festgestellt haben, wie heiß es vor und in ihrem Haus geworden ist. Die Installation einer Klimaanlage ist für viele sichtlich dann die logische Folge ihres Tuns.

Auf Vorschlag des Stadtbaurates könnte sich der Bauausschuss weitere Informationsveranstaltungen für Bürger vorstellen. Information statt Strafe – diesen Weg wollen die Dorstener Politiker beschreiten. Eine Broschüre der Stadt gibt es schon, die sei aber wohl vielfach im Papierkorb gelandet, wie der Ausschuss meinte. Auf sich beruhen lassen wollen die Politiker das Thema nicht. Denn die Steinwüsten vor Häusern greifen in Dorsten sichtbar um sich.

Landesbauordnung NRW


​Schottergärten:


Blühende Vielfalt ist pflegeleichter als nacktes Grauen


Heiß begehrt und hochumstritten: Schottergärten sind ein Reizthema. Die Dorstener diskutieren eifrig - und bilden zwei Lager.


von Claudia Engel, Dorstener Zeitung / 26.08.2021


Entweder man ist dafür oder man ist dagegen: Bei der Diskussion um Schottergärten gibt es nur Schwarz und Weiß, aber kein Grau. Auf Facebook ist aufgrund unserer Berichterstattung über Schottergärten eine lebhafte Diskussion entbrannt.


Ein Beispiel: „Ich glaube, es hat niemanden zu interessieren, was man auf seinem Grundstück macht. Letztendlich sind Geschmäcker halt verschieden. Als Nächstes wird uns noch die Farbe unserer Kleidung vorgeschrieben.“

Dem widerspricht eine andere Userin energisch. Sie sagt: „Es geht nicht darum ob es jemanden gefällt oder nicht gefällt. Schottergärten sind in NRW rechtswidrig. Aber anscheinend möchte unser Bürgermeister keine Schottergartenpolizei und lässt bei diesem Rechtsbruch Milde walten. Ob das so in Ordnung ist, weiß ich jetzt auch nicht.“


​„Bei Illegalität gibt es keine finanzielle Förderung“

Tatsächlich hatte Dorstens Bürgermeister, Tobias Stockhoff, in einer Sitzung des Umwelt- und Planungsausschusses zum Thema Schottergärten gesagt, dass eine Schottergartenpolizei nicht eingerichtet werde, „aber bei einer Änderung im Bestand alles geprüft wird“. Und er sagte auch: „Bei Illegalität kann es keine finanzielle Förderung für den Rückbau geben“, allerdings sei der Umfang des Rechtsverstoßes zu berücksichtigen“.


Die „schwammige Formulierung“ in der Landesbauordnung halten eine Userin und ein User für die Ursache, dass Schottergärten in Dorsten und anderswo unverdrossen weiter angelegt werden. So heißt es in der Bauordnung NRW (Paragraf 8): „Die nicht mit Gebäuden oder vergleichbaren baulichen Anlagen überbauten Flächen der bebauten Grundstücke sind wasseraufnahmefähig zu belassen oder herzustellen und zu begrünen oder zu bepflanzen, soweit dem nicht die Erfordernisse einer anderen zulässigen Verwendung der Flächen entgegenstehen.“


​Gesetz ist „schwammig“ formuliert

Der Facebook-Diskutant schließt daraus: „Bei so schwammigen Gesetzen versteht man dann auch, warum unser Bürgermeister seine Schottergartenpolizei nicht auf die Schottergartenbesitzer hetzen möchte.“ Und seine Gesprächspartnerin sagt, dass sie aus dem Text nicht ablesen könne, wie genau die Gestaltung des Vorgartens auszusehen hätte.

Die Stadt hat vor Kurzem eine Broschüre aufgelegt, die Anreize für den Rückbau von Schottergärten setzt. Der Interessent erfährt mehr, warum ein Schottergarten nutzlos ist und dass er, entgegen der landläufigen Meinung, auch nicht pflegeleicht ist. Eine Dorstener Anruferin teilte am Donnerstag telefonisch mit, dass es in Dorsten viele blühende Vorgärten gebe, die wenig Arbeit, aber viel Freude machen. Positive Anreize können sich Interessenten also überall im Stadtbild verschaffen. Sie müssen nur die Augen offenhalten.

Meinung


Schottergärten taugen für Saunaaufgüsse – und sonst?


Zu gar nichts


Schottergärten sind Gärten des Grauens. Sie sind lebensfeindlich, es sei denn, man möchte im Vorgarten einen Saunaaufguss im Sommer genießen, meint unsere Autorin.


von Claudia Engel, Dorstener Zeitung / 26.08.2021

 

Mein Opa, ein Bergmann, hat Zeit seines Arbeitslebens Steine gehauen, um die Kohle rauszuholen. Übertage war er dann ein begeisterter Gärtner. Er hat massenhaft Steine aus seinem Garten beseitigt, damit die Erde was Nützliches für Mensch und Tiere hergab. Wie viele andere Bergleute fand er in der Natur einen Ausgleich zu seiner beinharten Arbeit. Schaut man heute in eine alte Bergmannssiedlung in Dorsten-Holsterhausen, findet man in erschreckend vielen Vorgärten Steine statt Blumen.

Diese Gärten des Grauens sind überall in Dorsten anzutreffen. Wo ein Nachbar mit schlechtem Beispiel vorangeht, schließen sich andere sichtlich an. So werden ganze Straßenzüge zugepflastert, obwohl Schottergärten nachweislich natur- und lebensfeindlich sind. Eigensinnig beharren Grundstückseigentümer darauf, dass sie auf ihrem Grund und Boden tun und lassen können, was sie wollen. Das stimmt aber nur zum Teil. Denn es gibt ein öffentliches Recht, die Landesbauordnung, die die die Freiheiten der Eigentümer zum Wohl der Allgemeinheit einschränkt. Schottergärten sind rechtswidrig und haben in Vorgärten nichts zu suchen. Kann jeder nachlesen, wenn er möchte.


Wer die Sachlage nicht kennt, der kann sich aber vor der Umgestaltung seines Vorgartens informieren. Das ist das Mindeste. Die Stadtverwaltung informiert gerne. Man muss es nur wollen.

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