Schottergaerten in Marl

In der aktuellen Berichterstattung:


Die politische Debatte um Schottergärten in unseren


Nachbarstädten: Marl


Umweltausschuss


​Schottergärten in Marl:


Keine Kontrollen – trotz klarer Rechtslage


Die Landesbauordnung verbietet Schottergärten-Flächen eindeutig. Die Stadt Marl will diese Ordnungswidrigkeit jedoch auch weiter nicht ahnden - und das hat Gründe.


von Thomas Brysch, Marler Zeitung / 09.12.2021


Die Bauordnung des Landes NRW macht allen Besitzern von Schottergärten in Marl eine klare Ansage: Sie begehen eine Ordnungswidrigkeit, die geahndet werden kann – und eigentlich auch muss.

„Die nicht mit Gebäuden (…) überbauten Flächen der bebauten Grundstücke sind wasseraufnahmefähig zu belassen und zu begrünen oder zu bepflanzen“, besagt § 8 BauO NRW.

Weiter heißt es in § 58: „Die Bauaufsichtsbehörden haben bei der Errichtung (…) sowie bei der Nutzung von Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und (…) Anordnungen eingehalten werden.“

Und dann kommt noch § 82: „Werden Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert, kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung der Anlagen anordnen.“


Schottergärten in Marl sind Nachbarn, Gartenfreunden und Umweltschützern seit langem ein Dorn im Auge. Sie versiegeln die Böden, hier wird kein CO2 absorbiert oder Sauerstoff produziert, hier ist kein Lebensraum für Insekten. Die Fraktionen von SPD, Grüner Wählergemeinschaft und Linke im Umweltausschuss des Marler Stadtrats haben jetzt einen Vorstoß unternommen, zumindest künftigen Bauherren bei der Umsetzung ihrer Immobilienträume genau auf die Finger zu sehen – und sind dabei an der Verwaltung der Stadt Marl abgeprallt.


Baudezernentin: „Gartengestaltung werden wir nicht begutachten“

Baudezernentin Andrea Baudek betont, dass aus ihrer Sicht ein grundsätzliches Verbot von Schottergärten kaum durchsetzbar ist. Erst müsste es für das jeweilige Baugebiet ein Bauleitverfahren mit Bebauungsplan-Änderung, Bürgerbeteiligung und Satzungsbeschluss im Stadtrat geben. „Am Ende besteht immer die Gefahr, dass Bestandsschutz neues Baurecht schlägt.“

Eine Bauabnahme erst nach vollzogener Begrünung hält die Baudezernentin für unrealistisch. Auch einen Grünordnungsplan für private Grundstücke, der genau festlegt, welche Pflanzenart wo zu stehen hat, will die Stadtverwaltung nicht aufstellen. „Die Eigentümer werden das nicht akzeptieren“ glaubt Baudek: „Bei unseren Kontrollen achten wir auch künftig auf Bauverstöße, die Gartengestaltung werden wir nicht begutachten.“


Ausschuss streicht Kontrollen wieder aus dem Antrag

Obwohl besonders die Grüne Wählergemeinschaft darauf dringt, auch in bestehenden Wohngebieten die Gartengestaltung im Sinne von Klimaschutz und Artenvielfalt genau zu kontrollieren, hat der Umwelt- und Nachhaltigkeitsausschuss dem Stadtrat am Ende einen Antrag zur Annahme empfohlen, in dem die ursprünglich vorgesehenen Kontrollmaßnahmen wieder gestrichen sind. Schottergartenbesitzer in Marl werden voraussichtlich also bis auf weiteres unbehelligt bleiben.

Meinung


Eine „Schotterpolizei“ darf es auch in Marl nicht geben


Steine helfen beim Klimaschutz nicht. Doch statt Verbot und Bestrafung sollte sich die Vernunft durchsetzen, sagt Thomas Brysch


von Thomas Brysch, Marl / 10.12.2021


Geschotterte Vorgärten werden nicht umsonst von manchem Gartenbauer empfohlen. Zur kühlen Avantgarde-Optik eines modernen Flachdach-Bungalows etwa können sie durchaus passen. Für Umweltschützer und Freunde der Artenvielfalt sind sie ein Anblick des Grauens. Entscheidend aber ist: Sie sind verboten – und das aus gutem Grund.


Wobei: Die meisten Schottergärten auch in Marl sind so gestaltet, dass bei entsprechender juristischer Spitzfindigkeit offen sein könnte, ob die Verbots- und Ahndungsparagrafen der Landesbauordnung auf sie anwendbar sind. Denn: Es gibt meist grüne Oasen im Steinwüstengrau. Da wächst ein Bäumchen oder ein Gras – und schon könnte offen sein, ob das Ganze nicht doch eine Form der Begrünung ist.


Wie auch immer: Dass die Stadt Marl sich weigert, eine „Schotterpolizei“ ins Leben zu rufen, ist nachvollziehbar. „Runter von meinem Land!“ – Wenn Eigentumsrechte berührt werden, ist für viele Gartenbesitzer der Spaß vorbei.

Bleibt der Appell an die Vernunft: Wer glaubt, durch Schotter Gartenarbeit zu sparen, könnte langfristig auf dem Holzweg sein. Die Natur holt sich ihr Recht zurück. Blätter und Staub werden sich zwischen die Steine setzen, und eines Tages schießt doch das erste Unkraut empor. Mein Tipp: Rasen säen, Rasen mähen. Das geht schnell und man ist rechtlich auf der sicheren Seite.

Umweltausschuss


Ungeliebte Schottergärten in Marl


– klimafeindlich und schwer zu stoppen


Selbst im Umweltausschuss des Marler Stadtrats fehlt der politische Wille, gegen die klimaschädliche Gartengestaltung vorzugehen. Stattdessen gibt es Tipps für die Garagendachbegrünung.


von Thomas Brysch, Marl / 03.03.2022 / Lesedauer: 1 Minute


Einen Augenblick lang schien es im Umweltausschuss des Marler Stadtrats so, als sollte es den vielen Schottergartenbesitzern in Marl gehörig an den Kragen gehen. In einem Antrag der Grünen Wählergemeinschaft war davon die Rede, dass alle Schottergärten der Verwaltung anzuzeigen sind, dass die gesetzliche Pflicht zum Rückbau besteht und das bis dahin auch für Schottergärten eine Flächenentwässerungsgebühr zu erheben sei. All das sollte als Infoblatt zum Grundsteuerbescheid den Marlerinnen und Marlern unter die Nase gerieben werden. Doch am Ende bleibt wohl alles beim Alten. Bestehende Schottergärten sind in Marl unangreifbar.


Offensichtlich ist: Die Abneigung bei Ratsherren und Verwaltungsspitzen gegen diese klimafeindliche Gartengestaltung ist groß, doch es fehlt der politische Wille, geltendes NRW-Landesrecht vor Ort mit Druck und Sanktionen durchzusetzen. „Drohungen bringen die Bürger nur auf die Palme“, sagt CDU-Ratsherr Dieter Rehage. Vom Eingriff in Eigentumsrechten ist die Rede. Zudem zweifelt auch die Verwaltung, dass Schottergärten mit Entwässerungsgebühren zu belasten wären, da die unterliegenden Folien offensichtlich porös seien und das Wasser im Boden versickere. Der Grünen-Antrag wurde mit einem Änderungsantrag eingefangen.



Womit Grundeigentümer nun zu rechnen haben: Es könnte tatsächlich ein Infoblatt geben – mit unverbindlichen Tipps für die Garagendachbegrünung.

Artenschutz in Marl


Der Marler Volker Behrens appelliert:


„Schottergärten bringen nichts


Im Garten des Rentners blüht es in der ganzen Saison. Sein selbstgebautes Insektenhotel schafft neuen Lebensraum für bedrohte Arten. „Das macht weniger Arbeit, als man denkt“, sagt er.


von Thomas Brysch, Marl / 02.07.2022 / Lesedauer: 3 Minuten


Vor dem Haus von Volker Behrens summt und brummt es. Im Vorgarten des 79-jährigen Marlers an der Tilsiter Straße zieht eine bunte Blütenpracht Insekten magisch an. Im Lavendel tummeln sich die Hummeln. Auf eine simple Rasenfläche hat der Naturfreund ganz bewusst verzichtet, auf einen Schottergarten erst recht. „Steine, das bringt doch nichts für die Artenvielfalt“, sagt er und appelliert an alle Marler, den grau-tristen Schottergärten grundsätzlich eine Abfuhr zu erteilen.


Von 1985 bis 1987 hatte der gelernte Diplom-Ingenieur sein Haus in der Stadtkern-Siedlung gebaut, deren Straßennamen an das alte Ostpreußen erinnern. Da die Kinder damals schon im jugendlichen Alter waren, konnte der Garten von Anfang an ohne Rasenspielfläche geplant werden. Und deshalb trifft der Blick des Besuchers auch hinter dem Haus auf eine bunte Farbenwelt. „Für meine Frau Margret und mich ist bis heute wichtig, dass bei uns im Garten immer etwas blüht.“ Zunehmend trat der Insektenschutz bei dem naturverbundenen Ehepaar in den Vordergrund. Nicht zuletzt deshalb lockt auch der große Gartenteich immer wieder bunte Libellen an, Schmetterlinge fliegen am Ufer von Blüte zu Blüte.


„In früheren Jahren hat die Landwirtschaft mit Gülle und Pestiziden viele Insekten vertrieben, auch deshalb wollten wir in unserem eigenen Garten etwas für die Artenvielfalt tun“, sagt Behrens. Er freut sich darüber, dass auch die Marler Bauern inzwischen umgedacht und mit ihren großen Blühstreifen am Rand der Felder neue Lebensräume für bedrohte Insekten geschaffen haben.

 

Der ganze Stolz des begabten Heimwerkers ist das neue Insektenhotel, das seinen Vorgarten ziert. „Ich habe bestimmt 2000 Löcher in verschiedene Holzsorten gebohrt, das waren mindestens 50 Arbeitsstunden“, sagt Volker Behrens zu seiner Konstruktion, die einem kleinen Holzhaus gleicht. Die Zahl der verklebten Löcher zeigt, dass viele Insekten das komfortable Angebot bereits angenommen haben.


Dass viele Marler Hausbesitzer ihren Vor- zum Schottergarten machen, kann Volker Behrens nicht verstehen. „ich will bestimmt niemandem zu nahe treten, aber die Bequemlichkeit bei vielen Menschen ist schon groß“, sagt der 79-Jährige und gibt zu: „Bei bestehenden Immobilien kann man die Besitzer nur bitten umzudenken, aber in Neubaugebieten sollte die Bausatzung unbedingt festlegen, dass Schottergärten verboten sind.“ Tatsächlich hat die Stadtverwaltung in den letzten Monaten ja immer wieder durchblicken lassen, dass es eine „Schotterpolizei“ in Marl bis auf weiteres nicht geben wird.


„Ein landwirtschaftlich genutzter Acker bringt doch nichts“


Volker Behrens betont: „Ein blühender Vorgarten macht viel weniger Arbeit, als man denkt, wenn alles dicht bewachsen ist, haben unerwünschte Pflanzen kaum eine Chance.“ Rasen mähen muss der rüstige Rentner jedenfalls nicht.

Was kann ein Garten für die Artenvielfalt leisten? Im Tauziehen um das umstrittene Baugebiet an der Langehegge war auch diese Frage immer wieder Thema. Volker Behrens hat da so seine eigene Meinung: „Ein landwirtschaftlich genutzter Acker bringt doch nichts, wenn schon von einem Landschaftsschutzgebiet die Rede ist, dann müssten dort viele Bäume stehen und Wildblumen wachsen.“


Die Stadt wirbt damit, das mögliche Baugebiet klimaneutral zu gestalten, doch da sieht Volker Behrens durchaus Grenzen: „Ja, man kann in der Bausatzung begrünte Dächer und Fotovoltaikanlagen vorschreiben, aber man darf junge Familien, die bauen wollen, finanziell nicht überfordern.“ Der Rentner denkt an die Zeit zurück, als er selber baute: „Ich habe damals den Rohbau mit eigenen Händen hochgezogen, Stein auf Stein, aber nicht, weil es mir Spaß machte, sondern weil ich als Alleinverdiener in dieser Zeit jeden Pfennig zweimal umdrehen musste.“

Share by: