Als Teil des „Systems Billigfleisch“ mit der eng getakteten Produktionskette, beginnend bei der Ferkelzucht über die Schweinemast bis hin zur Verarbeitung im Schlachtbetrieb, sind sie jetzt voll in diese Falle getappt – und erwarten – wie immer in solchen Fällen - von der stets so wohlwollenden Landes-/Bundesregierung Hilfszusagen, obwohl sie selbstverschuldet und sehenden Auges in diese Katastrophe geschliddert sind. Aktuell sehen sie sich vor dem Problem stehen, dass in der Regel geschlachtet wird, wenn die Tiere ein Lebendgewicht von 125 Kilogramm auf die Waage bringen. Das ist nach etwa 100 Tagen im Mastbetrieb der Fall. Durch jeden zusätzlichen Tag bekommen die Tiere weitere Pfunde auf die Knochen. In der Endmast sind es in zehn Tagen etwa zehn Kilo. Ab 135 Kilogramm Lebendgewicht fallen die Schweine in eine andere Fleischklasse und der Erlös der Halter sinkt um 35 bis 40 Prozent.
Vor dem Lockdown wurden in dem Tönnies-Schlachthof 30.000 Schweine täglich geschlachtet. Die Unternehmensleitung versucht zu beruhigen und teilt mit, dass nach der Schließung des Betriebs in Rheda-Wiedenbrück die meisten Tiere auf andere Schlachthöfe des Unternehmens wie zum zweitgrößten Betrieb in Weißenfels in Sachsen-Anhalt verteilt werden. Auch dies ist nur eine Notlösung, die nicht ohne Kritik bleiben kann. Denn die längeren Transporte z.B. gehen voll zu Lasten der Tiere. Denise Weber, Sprecherin vom Deutschen Tierschutzbüro, befürchtet außerdem, „dass nun deutlich mehr Tiere in Weißenfels geschlachtet werden und dass dadurch - aufgrund der Masse und des Akkordes - noch mehr Tiere leiden“.
Die Katastrophe in den deutschen Mastbetrieben verdeutlicht erneut: das Ziel grüner Politik muss sein: Regionale Landwirtschaft mit kürzeren Wegen.
Frigga Wirths, Fachreferentin für Tiere in der Landwirtschaft beim Deutschen Tierschutzbund, wünscht sich mehr kleinere Schlachthöfe, näher am Bauern, „die nicht so gewinnmaximiert arbeiten“, auch für den Tierschutz. Das Haltungssystem müsste sich ändern, sagt sie, „hin zu einer wieder regionalen Landwirtschaft mit kürzeren Transportwegen“.
Friedrich Ostendorff, Biolandwirt aus Bergkamen und Bundestagsabgeordneter der Grünen, mästet selbst auch Schweine und lässt das Fleisch im Ort im genossenschaftlichen Biofleischbetrieb verarbeiten und vermarkten. Er sieht die durchindustrialisierte Fleischproduktion ebenfalls kritisch: „Das ist eine industrielle Massenproduktion, da werden Lebewesen wie Knöpfe produziert.“ Der Ausfall von Tönnies zeige auch „die Verletzlichkeit des Systems, das völlig durchgetaktet ist“.
Friedrich Ostendorff (rechts) als Gast der Initiative "Nein zur Westfleisch-Erweiterung!"; Produkte aus regionaler Haltung in Dattelner Holäden; artgerechte Haltung auf Hof Engelkamp