verblasste visionen

Verblasste Visionen

16.09.2023

 

Im Mai 2022 erhielt das Architekturbüro weihrauch+fischer den 1. Preis im Ideenwettbewerb für die Attraktivierung der Dattelner Innenstadt. Der Entwurf dieses Büros überzeugte die Jury damals mit ihren phantasievollen und nachhaltigen Ideen, fast alle Kommentatoren überschütteten den Entwurf mit Lob und Anerkennung.

Zentrale Punkte dieser Visualisierung des Wettbewerbs-Entwurfes weihrauch+fischer werden nicht umgesetzt: Blick in die Hohe Straße von Westen, rechts die Ausläufer des Neumarktes.

Nun, ein Jahr später präsentiert die damalige strahlende Siegerin Susanne Weihrauch im Rat einen finalen Entwurf mit zahlreichen Abstrichen, der von unserem Fraktionsvorsitzen Dr. Marco Zerwas heftig kritisiert wurde:

„Insgesamt sehe ich einfach das Konzept, das damals den Wettbewerb gewonnen hatte, nicht mehr in dem, was hier heute präsentiert wurde. Ich sehe natürlich ein, dass zwischen einer Vision und dem, was realisiert wird, Abstriche gemacht werden müssen. Aber ich erkenne fast das Konzept nicht mehr, das irgendwann einmal die Grundlage war für das, was wir heute präsentiert bekommen haben. Für mich wird die Fußgängerzone neu gepflastert. Das ist im Prinzip das, was übrig bleibt.“

 

Warum wird eigentlich im Rahmen eines Ideenwettbewerbs für die Dattelner Innenstadt ein Entwurf prämiiert, der in Datteln gar nicht realisiert werden kann? Warum werden bei Anwohnerinnen und Anwohnern Erwartungen geweckt, die sich dann am Ende in Luft auflösen?

Naturstein, Wasserrinne, Seilbeleuchtung und ganz viel Grün werden jetzt gestrichen: Visualisierung des Wettbewerbs-Entwurfes weihrauch+fischer: Blick in die Hohe Straße am Abzweig rechts zur Heibeckstraße

Der im Entwurf gewählte edle Natursteinbelag der Fußgängerzone soll jetzt durch einfachere und preiswertere Betonsteine ersetzt werden, viele der im Entwurf dargestellten Grünbereiche fallen ersatzlos weg, an Stelle der modernen, an Seilen zwischen den Häusern hängenden Beleuchtung werden traditionelle Laternen im Straßenraum aufgestellt, und die prägende Wasserrinne, die nicht nur die Kanäle symbolisch in die Dattelner Mitte holen sollte, sondern auch dazu beitragen sollte, das Mikroklima in der Innenstadt an besonders heißen Tagen abzukühlen, wurde ebenfalls gestrichen.

Im Vorfeld des Wettbewerbs hatte das Quartiersmanagement den teilnehmenden Büros vier Leitthemen mit auf den Weg gegeben: das Leitthema Blau und Grün, das Leitthema Gestaltung und Aufenthaltsqualität, das Leitthema Kinder und Jugendliche, das Leitthema Teilhabe und Mitmachen.

Trotz seiner ersten Enttäuschung wollte Marco Zerwas nach der Ratssitzung die Hoffnung nicht ganz aufgeben:

„Also ich glaube, da ist noch was drin, da kann noch was gemacht werden, insbesondere in dem Bereich, was das ursprüngliche Anliegen war, dass Wasser in die Fußgängerzone kommt, ‚Leben am Wasser’ in Datteln auch spürbar, erlebbar wird. Und da ist in diesem Planungsstadium gar nichts mehr von vorhanden. Und da lass ich mich auch nicht trösten von zwei Wasserspielplätzen, die an den jeweiligen Enden der Fußgängerzone angebracht werden. Dadurch ist das die Hohe Straße begleitende Element Wasser nicht zu ersetzen. Also da muss meines Erachtens die Landschaftsarchitektin noch mal nachliefern.“

 

Gerade das Vorhaben eines ständig laufenden Wasserlaufes hätte für die Dattelner Innenstadt nicht nur eine optische, sondern eine zutiefst klimapolitische Bedeutung. Für die Lebenswirklichkeit der Menschen hätte sie den Sinn, der Innenstadt an besonders heißen Tagen zur Abkühlung zu verhelfen. Die Wählergemeinschaft die Grünen wird sich deshalb weiterhin dafür einsetzen, in die Mitte der Hohen Straße einen Wasserlauf einzubauen. Wenn es aus hygienischen Gründen nicht das Grundwasser sein kann, obwohl es ja zwingend abgepumpt werden muss, um den Grundwasserspiegel in der Innenstadt beherrschbar zu halten, dann wünschen wir uns einen Fake-Wasserlauf, der als Kreislauf mit Gelsenwasser betrieben wird. Denn wir sehen trotzdem technische Möglichkeiten, im wahrsten Sinne des Wortes, das Wasser den Berg hoch laufen zu lassen.

 

Marco Zerwas weiter: „Ich würde mir wünschen, dass so ein unambitioniertes Projekt wie „Wir pflastern die Innenstadt“ überdacht wird und dass die Stadt als Ausschreiberin oder die Landschaftsarchitektin da wirklich noch einmal an den Schreibtisch, an den Planungstisch zurückkehren, dass in Richtung Zukunftsfähigkeit Brunnen die Plätze beleben, dass ganz viel Wasser im Spiel ist, dass ganz viele Pflanzen letzten Endes das Innenstadtleben kennzeichnen. Also da müssen wir uns noch einiges angesichts der klimatischen Herausforderungen, vor denen wir stehen, von Städten im Mittelmeerraum abgucken.“



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Sanierung der Dattelner Stadtgalerie



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