Protest gegen den Bruch des Kohlekompromisses
25.01.2020
Zusammen mit zahlreichen Klimaaktivisten aus ganz Nordrhein-Westfaen, von "Fridays for Future", vom Bund für Umwelt- und Naturschutz und von Greenpeace haben wir Dattelner, Grüne Linke, IG Meistersiedlung, am Freitag (24.01.2020) gegen das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 demonstriert. Unter dem Motto "Datteln 4? Nicht mit mir!" waren zusammen mit den Dattelnern Ortsgruppen aus Castrop-Rauxel, Recklinghausen, Bochum, Gelsenkirchen, Dortmund, Witten und Münster dabei.
Auch Mona Neubaur, Landesvorsitzende der NRW-Grünen, (hier im Gespräch mit Mo El-Zein aus Datteln und Bert Wagener aus Castrop-Rauxel) und Oliver Krischer, stellvertretender Vorsitzendes der Berliner Bundestagsfraktion, haben ihre Solidarität mit uns Dattelnern unter Beweis gestellt und nahmen am Protestmarsch gegen die "unanständige" Missachtung des Kohlekompromisses der Kohlekommission teil.
Die bundesdeutsche Presse hat an der Demonstration in Datteln regen Anteil genommen. Auch die Begründerin der Protestbewegung, die Schwedin Greta Thunberg, nahm Notiz vom Dattelner Protestmarsch und teilte eine Twitter-Nachricht der Fridays-for-Future-Landesgruppe.
Als Beispiel für die vielfältige Berichterstattung in den verschiedenen Medien dokumentieren wir den Bericht der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung:
Datteln-Proteste: Auftakt für mehr?
Zur ersten Demonstration gegen das Kohlekraftwerk kommen laut Polizei 430 Menschen. Formen des „gewaltfreien zuvilen Ungehorsams“ sind aber ein Thema für die Zukunft.
Von Tobias Mader, Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 25. Januar 2020
Datteln. „Heute is' was los in Datteln“, sagt die Frau, die ihre Mutter im Rollstul über die Straße schiebt. „Für die paar Manekes“, sagt eine andere – und deutet auf die sechs Polizeibullis und zwei Motorräder auf dem Neumarkt, sie stehen fünf Protestlern gegenüber. Aber es ist erst 11.30 Uhr, und die Freitagsprotestierer kommen mit Bus und Bahn, siehe da, pünktlich. Um 12 Uhr haben sich etwa 430 Schüler, Studenten, Alt-68er, Vertreter von Greenpeace, BUND und Grünen eingefunden, laut Polizei, um die zweieinhalb Kilometer zum Kraftwerk des Anstoßes zu laufen und zu skandieren: „Datteln Vier? Nicht mit mir!“
„Der Kohleausstieg soll mit der Inbetriebnahme einesneuen Kraftwerkes beginnen. Irre.“
Ein Dattelner
auf der Demo.
Das ohne gültige Baugenehmigung errichtete und seit Jahrzehnten umstrittene Kraftwerk ist so etwas wie der Kölner Dom von Datteln. Er macht die Stadt berühmt, man sieht es von fast jeder Ecke aus, es hat bislang keinen praktischen Nutzen, da es nie ans Netz gegangen ist, dafür aber einen umso größeren symbolischen Wert. „Der Kohleausstieg soll mit der Inbetriebnahme eines neuen Kraftwerks beginnen. Irre.“ sagt ein Redner, sö ähnlich haben es alle Gegner dieser Entscheidung formuliert. „Ein zweiter Hambi“ könne das werden für die Regierungen in Land und Bund, hatte Fridays for Future angekündigt.
An diesem kalten Freitagvormittag sieht es nicht danach aus. Aber die Proteste für den Erhalt des Hambacher Forsts nahmen auch erst allmählich Fahrt auf, bis sie Ende 2018 bundesweit die Schlagzeilen beherrschten. Natürlich kann man in Datteln schlecht Baumhäuser bauen, und was wäre mit einer Besetung der Kik-Filiale oder des Gümüs-Minimarktes gewonnen? Aber „Schleusen und Transportwege“ und „Formen des gewaltfreien zivilen Ungehorsams sind ein Thema“, sagt Lena Wittekind (24) aus Castrop-Rauxel. Die Theologiestudentin hat die Demo angemeldet. Erstmals haben acht Ortsgruppen von Münster bis Witten zusammengearbeitet, darunter Gelsenkirchen UND Dortmund. „Das gab es bislang nicht. Aber dafür machen wir's.“
Aber macht es nicht auch Sinn, ab dem Sommer ein besonders effizientes Kraftwerk zu nutzen statt alte, deutlich schmutzigere? „Das Problem ist, dass die Abschaltung auch der älteren Kraftwerke nach hinten verschoben wurde. Unterm Strich kommt also mehr CO2 heraus“, sagt Wittekind. „Die Kraftwerke, die ursprünglich für Datteln abgeschaltet werden sollten, sind ja auch schon vom Netz. Und die Stromversorgung funktioniert trotzdem.“
Wäre es nicht trotzdem der Gipfel der Wegwerfgesellschaft, ein ganzes Kraftwerk ungenutzt zu lassen? „Es soll jährlich etwa 8,4 Millionen Tonnen CO2 ausstoßen.“ Das betrachtet Wittekind eben nicht als Gewinn, sondern als Schaden. „Man kann es ja gerne anders nutzen, zum Beispiel für eine Ausstellung.“
Die Demo setzt sich in Bewegung über die B 235, das im Testbetrieb rauchende Kraftwerk im Blick. Vorbei am Ruft Bierpub, dem Awo- Seniorenzentrum und rußgeschwärzten Fassaden. Aus einigen Fenstern filmen Anwohner, sonst keine Interaktion. An der St.-Josef-Kirche ein kurzer Halt, der Pfarrer spricht vom Garten Eden, den es zu bewahren gilt. Und mahnt: „Auch unsere Gesellschaft braucht ein gutes Klima im Sinne einer guten Streitkultur.“ Wertschätzend und respektierend solle das Gespräch laufen. Tut es auch. „Alles total friedlich“, bilanziert Polizeisprecherin Ramona Hörst später.
Au Recklinghausen sind 15 Schüler angereist, sagt Paula B. aus der 9. Klasse einer Realschule. Warum, ist es ein besonderer Protest? „Oh ja, es passiert ja jetzt vor unseren Augen.“ Und warum ist sie gegen Datteln IV? „In 18 Jahren ist Schluss. Wir sagen: In zehn Jahren sollte Schluss sein. Das ist ein überschaubarer Zeitraum.“ Muss man nicht auch mal Ja sagen zu einem gesellschaftlichen Kompromiss? „Die Klimakrise akzeptiert keinen Kompromiss. Wir machen nur Schadensbegrenzung.“
Kohle aus Kolumbien?
„Es gibt kein gutes Kraftwerk im Falschen“, hat sich Werner Eisbrenner, 74, aufs Schild geschrieben. Na klar, 1968 war er auch schon dabei. „Damals war eine Veränderung der ganzen Gesellschaft angesagt.“ Aufbruchstimmung spüre er auch heute. Man müsse fragen, woher die Kohle komme, aus Kolumbien oder Russland, unter unwürdigen Bedingungen abgebaut. Das ist auch die Unterzeile der „Fridays-for-Future“-Demo: „Kein Anheizen der Klimakrise mit Blutkohle“, womit auch der gobal-soziale Aspekt ins Feld geführt wäre.
Ins Gewerbegebiet geht es bis zur Zielgeraden mit dem blauen Block und den verhalten qualmenden Türmen. Das Quartett „Unerhört“ greift zum Banjo und singt zur Melodie der Nordseeküste: „Wir fordern deutlich / Energie ohne Dreck / Rote Karte für die Kohle / Der Schwarzbau muss weg.“ Auch Uniper hat ein Plakat aufgehängt: „Kein Wind? Keine Sonne! Kein Problem!“
Vor dem Kraftwerk endete die Demo. Foto: Andreas Kalthoff, Dattelner Morgenpost
Auch Oliver Krischer, stellvertretender Fraktionschef von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, beteiligte sich an der Demontration gegen Datteln 4. Anschließend nutzten die Dattelner Grünen die Gelegenheit, mit Oliver ins Gespräch zu kommen und ihre entschiedene Haltung gegen den Kraftwerksbau zu verdeutlichen: von links: Theodor Beckmann, Oliver Krischer, Marco Zerwas, Mo El-Zein.