Alte Rinderrassen zwischen Emscher und Lippe
18.09.2024
Ob französische Aubrac-Rinder in Datteln, Heckrinder in den Steverauen bei Olfen, schottische Hochlandrinder in Haltern oder Herne oder Rotes Höhenvieh an der Stadtgrenze von Herne und Castrop-Rauxel: auf immer mehr Weiden in der Region grasen ganzjährig freilaufende Herden mit Tieren alter, genügsamer, widerstandsfähiger Rassen.
Jüngstes Beispiel ist die Ansiedlung einer Herde Rotes Höhenvieh auf einem frisch eingezäunten Areal im Natur- und Erlebnispark Emscherland am Wasserkreuz von Rhein-Herne-Kanal und Emscher. Im Bereich der Streuobstwiese, östlich des „Walkway and Tower“ (auch bekannt als Kawamata-Turm) wurde eine Weide vorbereitet für das Rote Höhenvieh. Es heißt, dass für die Pflege der dortigen Streuobstwiese gemäß der Förderrichtlinie eine Beweidungspflege gefordert ist.
Rotes Höhenvieh im Emscherland
Durch das Abgrasen und Düngen des Bodens schaffen diese Rinder gleichzeitig Heimat für viele weitere Pflanzen- und auch Tierarten: Auf diese Weise kann nicht nur die Artenvielfalt der Pflanzen erhalten und entwickelt werden, auch die Kosten der Grünpflege lassen sich senken, die sonst von der Öffentlichkeit bezahlt werden müssten. Denn das „Rote Höhenvieh“ pflegt die Weide als natürlicher Rasenmäher.
Zudem sind die Tiere – neben den Hühnern in der Nachbarschaft – eine weitere Bereicherung für die Besucherinnen und Besucher des Parks. Durch die zentrale Lage der Weide bekommt das Projekt so neben dem Umwelt-Aspekt auch große Bedeutung für die Naherholung der Bürgerinnen und Bürger, die dort spazieren gehen können.
Vor dem Aussterben bewahrt
Das Rote Höhenvieh ist eine sehr alte Haustier-Rasse, die nur knapp dem Aussterben entgangen ist, heute gibt es wieder etwa 1800 Tiere weltweit. Die Rinder gelten als nächster und ähnlichster Nachkomme der in frühen Zeiten in fast ganz Mitteleuropa vorherrschenden Rinder, sind einfarbig rot, von mittlerer Größe, robust und zäh. Sie sind genügsam und sind deshalb auch in der Landschaftspflege und in für die Weidehaltung sonst wenig geeigneten Gebieten gut einsetzbar, sie fühlen sich besonders wohl auf Weiden in der Freilandhaltung. Einst dienten sie sowohl als Milch- und Fleischlieferant, konnten aber auch vor den Pflug gespannt werden. Dabei half ihr sehr sanftes Gemüt.
Bereits seit 2020 grast eine Herde auf Weideflächen von Straßen NRW und der Emscher-Genossenschaft an der Stadtgrenze Herne/Castrop-Rauxel. Das Areal umfasst eine Fläche von insgesamt 21 Hektar, die zum Teil von Straßen.NRW, zum Teil von der Emschergenossenschaft bereitgestellt und vom Biohof Dickhöfer aus Waltrop bewirtschaftet werden.
Die Rinderhaltung ist dabei Teil des Konzepts einer naturnahen Nutzung: Die Tiere ernähren sich ausschließlich von dem, was sie auf der Weide finden. Langfristiges Ziel des Projekts ist eine Ganzjahresbeweidung durch die Rinder. So entsteht eine klassische Weidelandschaft, wie sie im landwirtschaftlich geprägten Europa der letzten Jahrhunderte üblich war.
Klimafreundlicher, so Autobahn Westfalen, lasse sich Rinderhaltung nicht gestalten. Im Vorfeld der Beweidung seien auf der Fläche 23 Pflanzenarten ausgesät worden; auch biete sie über 20 verschiedenen Vogelarten und anderen heimischen Tieren vom Igel bis zum Reh ein Zuhause. Mitten im Revier sei so eine zuvor für die industrielle Landwirtschaft genutzte Fläche mit dem ökologischen Umbau der Natur zurückgegeben worden. Heute bietet die Weidefläche einer Vielzahl von Arten ein Zuhause.
Rotes Höhenvieh an der A 42: Man braucht schon etwas Glück, um die Herde auf der großen, unübersichtlichen Weidefläche auf beiden Seiten der Autobahn in Herne-Börnig zu Gesicht zu bekommen. Vielleicht hast du Glück und entdeckst sie direkt vorne, oder weiter hinten zwischen den Bäumen, vielleicht auch erst auf einer Runde um diese große Wiese mit ihren 21 Hektar: die fleißigen Landschaftspfleger mit Hörnern.
Vom Autobahnrastplatz Holthauser Bruch aus kann man den Tieren beim Weiden zusehen, wenn sie sich nicht gerade ins Wäldchen zurückgezogen haben.
In den Lippeauen: Hier grasen Aubrac- und Heckrinder ganzjährig im Freien.
Französische Schönheiten in Datteln: Auch die Aubrac- und Heckrinder auf den Flächen der gemeinnützigen Vogelsang Stiftung in den Dattelner Lippeauen dienen in erster Linie der Landschaftspflege. Durch Beweidung sorgen die Tiere dafür, dass geschützte Flächen nicht nach und nach mit Buschwerk zuwachsen, sondern ihren ökologischen Nutzen als Offenland- und Grünlandflächen erfüllen können. Die französischen Aubracs ist eine über 150 Jahre alte robuste Rinderrasse, die sich durch eine hohe Widerstandsfähigkeit, Genügsamkeit, Leichtkalbigkeit und Langlebigkeit auszeichnet.
Schonende Grünlandpflege:
Seit 2003 weiden Heckrinder im Naturschutzgebiet „Im Siesack“ in Do-Mengede. Sie sind das Ergebnis der in den 1920er-Jahren begonnenen Rückzüchtungs-bemühungen des Auerochsen. Bei zahlreichen Naturschutz-projekten, u.a. in den Dattelner Lippe- und Olfener Steverauen, haben sich Heckrinder zur Vermeidung von Pflegemaßnahmen wie Mahd und Gehölzpflege bewährt. Durch ihr wehrhaftes Aussehen halten sie außerdem ihr Revier frei von Störungen und schützen so auch im Winter rastende Wasservögel und andere störungsempfindliche Arten zuverlässig.
Seit Jahren leben schottische Hochlandrinder auf dem Hof Engelkamp-Knigge in Datteln.
Im Dienste der Wasserwirtschaft: Die deutlich kleineren, zotteligen schottischen Hochlandrinder, die das ganze Jahr über im Freien leben, beeindrucken vor allem durch ihre wilde Wuschelmähne. Sie beweiden eine rund 5 Hektar große Fläche des Lippeverbandes auf dem Nordufer der Lippe bei Haltern, die früher als Pferdewiese genutzt und zum Teil auch maschinell gemäht wurde.
Naturschutz, Tierwohl und Premium-Rindfleisch im Paket
Das auf Naturschutzflächen erzeugte Fleisch von freilaufenden Rindern aus der Region ist weniger klimaschädlich, da die negativen Klimaeinflüsse durch eigens erzeugte und transportierte Futtermittel wegfallen und die extensiv bewirtschafteten Flächen als CO2-Senken wirken.
In den Wintermonaten bietet der Biohof Dickhöfer - auf Vorbestellung - Rindfleisch in hervorragender Qualität vom Roten Höhenvieh an. In den Fleischpaketen (ab 15 kg) sind enthalten: Rinderbraten, Rouladen, Gulasch, Gehacktes, Roastbeef sowie Beinscheibe und Suppenfleisch. Auf Wunsch werden die Pakete auch vakuumverschweißt, so dass das Fleisch problemlos eingefroren werden kann.
Auch die Vogelsang Stiftung entnimmt und vermarktet jährlich ca. zehn bis 15 Tiere. Durch die naturnahe Haltungsform ist deren Fleisch von exzellenter Qualität. Bis zur Weideschlachtung leben die Tiere mindestens drei Jahre, oft auch länger. Sie wachsen langsam heran und bewegen sich intensiv. Durch die Bewegung entsteht eine feine Fettmarmorierung, die das Fleisch in der Zubereitung zart und saftig und im Geschmack kernig, kräftig und ursprünglich macht.
Rotes Höhenvieh im Emscherland