Datteln4 Tag der Inbetriebnahme

Datteln 4: Eröffnung ohne Festgäste

30.05.2020

Ein „Meilenstein der deutschen Ingenieurkunst“ geht in Betrieb – und die Prominenz aus Politik und Wirtschaft lässt sich nicht blicken. Damals, 2007, beim Ersten Spatenstich oder auch bei der Grundsteinlegung des Steinkohlekraftwerks Datteln 4, war die Prominenz aus Bund und Land zu Gast in Datteln und hat das Projekt als zukunftsfähig gelobt und beklatscht. Dass sich jetzt im Jahr 2020 bei der Aufnahme des Regelbetriebs des größten Monoblock-Kraftwerks Westeuropas keiner von ihnen blicken ließ, verdeutlicht den Stimmungswechsel im Land. Das Verbrennen von Steinkohle zur Energiegewinnung wird heute von der Mehrheit der Bevölkerung als „Schande“, als umweltschädlich, als veraltete Technik aus dem letzten Jahrhundert verurteilt.

In Zeiten der Corona-Pandemie auf Abstand - aber vereint in Absicht und Ziel: Lisa Göldner (Greenpeace), Theo Beckmann (Grüne Datteln), Luisa Neubauer (Fridays-for-Future), Tonny Nowshin (Urgewald), die deutsch-finnische Klimaaktivistin Lili Braun, Kathrin Henneberger und Kim Solievna (Ende Gelände).

So kam es, dass sich zur Inbetriebnahme dieses Schandmals der deutschen Klimapolitik, das lediglich über eine vorläufige, äußerst fragile Betriebsgenehmigung verfügt, eine ganz andere Prominenz am Dortmund-Ems-Kanal versammelte, nämlich die Prominenz der deutschen Umweltschutzbewegung: Luisa Neubauer von der Fridays-for-Future-Bewegung, Lisa Göldner von Greenpeace, Kathrin Henneberger und Kim Solievna von Ende Gelände, Dirk Jansen und Thomas Krämerkämer vom BUND, Mona Neubaur von Bündnis 90/Die Grünen. Mit ihnen haben vor allem junge Menschen aus ganz Deutschland den Weg nach Datteln gefunden.
How Dare You?
Bereits in der Nacht hatten die Protestaktionen gegen das umstrittene Kraftwerk begonnen. Aktivisten hatten das Bild eines An- und Ausschalters und die Sätze „How Dare You“ und „Klimakrise - Made in Germany“ auf den 180 Meter hohen Kühlturm projiziert.

Mit einer Menschenkette und mehreren Mahnwachen, mit lautstarken Kundgebungen und Protestmärschen, mit spontanen Aktionen im und auf dem Wasser brachten die vielen angereisten Umweltschützer den ganzen Tag über ihren Protest gegen Unipers Dreckschleuder am Dortmund-Ems-Kanal zum Ausdruck.
Ska Pennekamp aus Datteln (am Mikrofon), vereint in ihrem Protest gegen das Kraftwerk Datteln 4 mit Lisa Göldner, Kathrin Henneberger, Luisa Neubauer, Tonny Nowshin und Lili Braun.

Luisa Neubauer von Fridays for Future betonte, es sei eine Provokation, den Kohleausstieg mit einem neuen Kohlekraftwerk einzuleiten. Kim Solievna von „Ende Gelände“ nannte es „absurd“, im Jahr 2020 noch ein neues Steinkohlekraftwerk ans Netz zu nehmen. Dirk Jansen, Geschäftsführer der BUND NRW, sprach von einem „schwarzen Tag für den Klimaschutz“. Und Ska Pennekamp aus Datteln, die 12 Jahre alt war, als 2007 der Grundstein zu Datteln 4 gelegt wurde, erzählt der versammelten Presse, dass sie vom ersten Tag an schockiert war, dass das hier in Datteln möglich sein soll.
Unter den Protestierenden waren auch ehemalige Bergleute, die kritisierten, dass nun Kohle aus dem Ausland importiert wird, um Datteln 4 zu betreiben. Die Aktivisten der Gruppen Extinction Rebellion und Red Rebellion zeigen sich mit roter Flüssigkeit auf ihren Händen. Die rote Flüssigkeit soll Blut symbolisieren. Damit wollen sie auf die "Blutkohle" aus Kolumbien und Sibirien aufmerksam machen, die unter fragwürdigen Bedingungen abgebaut und im Kraftwerk Datteln 4 verbrannt wird.
Thomas Krämerkämper versicherte den Presseleuten, dass der BUND nichts unversucht lasse, die vielen anhängigen Klagen gegen das Kraftwerk Datteln 4 zu einem erfolgreichen Ende zu führen.

„Ein beschämender Tag für Europa“
Auch Klimaaktivistin Greta Thunberg meldete sich via Twitter zu Wort. "Heute ist ein beschämender Tag für Europa, da wir ein brandneues Kohlekraftwerk eröffnen. Wir haben uns verpflichtet, den Weg zu ebnen, um eine Klimakatastrophe zu vermeiden - und doch ist dies das Signal, das wir an den Rest der Welt senden?", schrieb die Schwedin.
Und die zu Hunderten herbeigeeilte Polizei?
In ihrer Bilanz bescheinigt sie, dass die Proteste der mehreren hundert Teilnehmer gegen die Inbetriebnahme von Datteln 4 friedlich und weitestgehend störungsfrei verlaufen sei. Davon aber, dass sie immer wieder harmlose Spaziergänger und friedfertige Schwimmer ohne Not erkennungsdienstlich unter die Lupe genommen hat, taucht in ihren Mitteilungen nichts auf. Wer am Samstag dabei war, kann verstehen, dass zahlreiche Aktivisten der Polizei in vielen Situationen fehlendes Fingerspitzengefühl und Machtmissbrauch vorwerfen. Nach Angaben des Bundestagsabgeordneten Lorenz Gösta Beutin ging die Polizei gegen jugendliche, teils minderjährige „Provokateure“ ohne Warnung und „sehr brutal“ vor. Wen wundert es da noch, dass die Polizisten, die so ihren eigenen Ruf immer wieder verspielen, von denen, deren Freiheitsrechte sie unverhältnismäßig einschränken, dann takt- und respektlos behandelt werden.
Gegen 16 Uhr endet der Tag der lautstarken Proteste gegen die Inbetriebnahme des Kraftwerks Datteln mit einem Zug durch die Meistersiedlung.



Alle, die heute in Datteln am Kanal mit dabei waren, waren sich in einem Punkt einig: der Protest gegen Datteln 4, das war von allen Seiten zu hören, der ist mit dem 30. Mai nicht zu Ende.


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