Immer freitags
Datteln 4 wankt. Jeden Freitag nagt die `Fridays-for-Future´-Bewegung am wuchtigen Koloss am Dortmund-Ems-Kanal. Aber nicht nur die Klimaschutzaktivisten üben Druck aus auf die politischen Entscheidungen, auch die Kohlefreunde, aufgeschreckt durch die zahlreichen vernichtenden Stellungnahmen der politischen Akteure, tragen ihre altbekannten Argumente gebetsmühlenartig vor.
Gut gemeint, aber schlecht gemacht!
Die hitzige Debatte um das Schicksal von Datteln 4 im Sommer 2019 stellt erneut unter Beweis, dass es ein großer Fehler war, hier in Datteln das größte Kohlekraftwerk Europas bauen zu wollen. Die Kohlefraktion aus dem Ruhrgebiet - Oliver Wittke, H.-P. Müller, André Dora - will ihren treuen Wählern nicht wehtun und argumentiert, das Dattelner Kohlekraftwerk sei weniger umweltschädlich als viele ältere Kraftwerke. Auf der anderen Seite fordern der NRW-Ministerpräsident Armin Laschet oder auch Peter Altmaier, die Empfehlungen der Kohlekommission eins zu eins umzusetzen.
An vielen Stellen im Dattelner Stadtgebiet ist sie zu verspüren, die Bedrohung durch den wuchtigen Koloss von Datteln - hier aus der Perspektive des Ida-Noll-Seniorenzentrums.
In den Augen der protestierenden Jugend stehen die Befürworter der ungebremsten Kohleverstromung für die verfehlte Klimapolitik der letzten Jahre. Sie verspielen die historische Chance für einen Neuanfang. Denn bei ihrem Plädoyer für Datteln 4 übersehen sie, dass die Nachteile die Vorteile überwiegen. Je länger der Rohbau am Kanal steht, desto deutlicher treten die gravierenden Mängel der Planung zutage. Zumindest drei Dinge lassen die Befürworter von Datteln 4 außer Acht. Erstens, der Standort in Datteln, in unmittelbarer Nachbarschaft zu einer belebten Schifffahrtsstraße, zu Gewerbegebieten und Einkaufszentren, zur angrenzenden Wohnbebauung, ist gekennzeichnet von großen Sicherheitsbedenken. Zweitens, die tödichen Schadstoffe aus dem Kühlturm bedrohen dauerhaft die Naturschutzgebiete Lippeaue und Cappenberger Wälder, Und drittens, nach dem Ende des Ruhrkohlebergbaus ist der aufwändige Transport der benötigten überseeischen Kohle über Rhein und Kanäle tief ins Binnenland volkswirtschaftlicher Wahnsinn. (Es ist kein Zufall, dass die Errichtung des baugleichen Kraftwerks an der niederländischen Küste ohne große Proteste zügig umgesetzt werden konnte.) Und die Kläger - da sind wir uns sicher – finden noch mehr Haare in der stinkenden Suppe.
Für eine Klimaschutzpolitik, die den Namen verdient!
Jetzt eröffnet sich die Chance, diese Planungsfehler zu beheben. Der Rat der Stadt Datteln und die Bundesregierung könnten – jeder auf seine Weise und in seinem Verantwortungsbereich – das endgültige Ende von Datteln 4 einleiten. Der Rat der Stadt Datteln hat die Möglichkeit, den Bebauungsplan 105a aufzuheben, bevor ihn dann das OVG Münster eines Tages einkassiert. Den B-Plan, der es der Genehmigungsbehörde vor fast 30 Monaten erlaubte, den Bau des Kraftwerks zu gestatten und den sofortigen Vollzug der Genehmigung einzuräumen. Und die Bundesregierung hat die Möglichkeit, den Empfehlungen der Kohlekommission eins zu eins zu folgen und mit dem Kraftwerksbetreiber eine Entschädigungsregelung zu vereinbaren. Sicherlich wäre ein Dattelner Beschluss für den Steuerzahler die preiswertere Variante. Gegen eine umfangreiche Entschädigung für Energieversorger!
Inzwischen ist es nämlich mehr als ein Gerücht unter Insidern, die sich seit Jahren mit dem Desaster um das Dattelner Kraftwerk beschäftigen. Unterdessen ist auch dem Letzten klar geworden, dass Datteln 4 keine Aussicht hat, jemals wirtschaftlich Gewinne zu verbuchen. Prognostiziert war dies ohnehin nur bei Einhaltung der Bauzeit, Vollauslastung, langfristigen Verträgen mit Stromabnehmern und vor allem einer Laufzeit von 50 Jahren. Mittlerweile ist keine dieser Bedingungen mehr zutreffend. Dennoch, die Uniper SE baut weiter, tauscht sogar nochmal den kompletten Kesselstahl aus.
Wann soll das jemals wieder erwirtschaftet werden? Gar nicht, das wird nun immer mehr Menschen klar. Uniper will sich die Investitionskosten vom für die Bundesregierung verhandelnden Wirtschaftsminister in Form von Entschädigungszahlungen versilbern lassen. Deshalb wird auch gegen die Empfehlung der Kohlekommission munter weiter gebaut. Welche Entschädigung stünde Uniper denn ansonsten für eine Bauruine zu? Bezahlen sollen das wir, die Steuerzahler. Es handelt sich um Geld, das andernorts - oder auch hier in Datteln - für den überfälligen Strukturwandel in Form von Fördermaßnahmen viel dringender gebraucht wird. Stattdessen will der M-DAX Konzern seine verfehlte Unternehmensplanung kompensieren, die Aktionäre werden ohnehin schon unruhig. Es ist an der Zeit, dass Schluss damit ist. Vor gerade einmal 10 Jahren musste der Steuerzahler die verspekulierten Banken retten, der Kohleausstieg soll nicht zum Sanierungsplan für irrational handelnde Energieriesen werden.