Radwege wahlweise benutzen
27.03.2025
Die Dattelner Verwaltung geht hin und hebt an mehr und mehr Stellen im Stadtgebiet die Benutzungspflicht für Radwege auf. Über Nacht verschwinden an den Radwegen die bekannten blauen Schilder mit dem weißen Fahrrad. Stattdessen schmücken Fahrrad-Symbolbilder als Piktogrammkette den rechten Rand der Fahrbahn. Dabei beruft sich Stadt auf einen Erlass des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes NRW vom 25.01.2023: „Ein zweckdienlicher Einsatz (von Piktogrammketten) ist denkbar nach Aufhebung der Benutzungspflicht eines parallel verlaufenden Radwegs, um zu verdeutlichen, dass sich die Verkehrssituation geändert hat und Radfahrende nunmehr auch die Fahrbahn benutzen dürfen.“
Fahrradfahrerin auf der Lohstraße
Die Dattelner Bürgerinnen und Bürger sind aufgerufen, sich an der Debatte zu beteiligen, wie der Fuß- und Radverkehr im Alltag verbessert werden kann. Um Antworten auf diese und weitere Fragen für die Nahmobili-tät in Datteln zu erhalten, führt die Stadtver-waltung eine öffentliche Bürger*innen-Beteiligung durch, und zwar am 7. April 2025 um 18 Uhr im Sitzungssaal des Rathauses.
Fahrradfahrer am Pahlenort
In diesen Fällen reagiert die Verwaltung offenbar auf die seit einigen Jahren in Deutschland von Fachleuten häufig vertretene Auffassung, dass Fahrradfahrer in Tempo-30-Bereichen besser und sicherer auf der Fahrbahn fahren als auf dem parallel verlaufenden Radweg. So hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil vom 18. November 2010 die Anordnung der Fahrradwegbenutzungspflicht auf Fälle eingeschränkt, in denen eine "hohe" Gefährdung von Radfahrern gegeben ist.
Auf der Fahrbahn werden sie von Autofahrern besser gesehen, denn Radwege sind meist baulich abgesetzt und parkende Kfz oder Grünstreifen beeinträchtigen dann die Sichtbeziehung zu den Autofahrern. Zudem will man möglicherweise die Radfahrenden von den langsameren Zu-Fuß-Gehenden trennen und auf die Straße locken. Hier sollen sie dann die Autofahrer disziplinieren und sie zu angepassterem Fahren im Tempo-30-Bereich animieren.
Es gibt sicherlich Straßen im Dattelner Stadtgebiet, wo dieses Vorgehen sinnvoll ist (Pahlenort und Türkenort), andernorts erscheint es vertretbar (Hafenstraße und Lohstraße zwischen Kreisverkehr und Alsenstraße). Ist aber überall, wo eine Benutzungspflicht für gut markierte, separat geführte Radwege aufgehoben wurde, eine „hohe“ Gefährdung der Radfahrer ausgeschlossen? (Münsterstraße und obere Lohstraße, Grüner Weg und Westring zwischen Hachhausener Straße und Redder Straße).
Die Zahl der Unfälle mit motorisierten Radfahrenden steigt von Jahr zu Jahr. Ein Grund für diesen Anstieg liegt sicherlich darin, dass viele Fahrrad-Fahrende heute schneller unterwegs sind als früher – wegen der zunehmenden Zahl an E-Bikes und Pedelecs. Auch weil es sich mit Unterstützung komfortabler fährt, nimmt die Zahl der Fahrrad-Fahrenden stetig zu; dadurch steigt das Risiko der Fahrradunfälle drastisch.
Fahrradfahrer auf der Hafenstraße
Vor allem die Diskrepanz zwischen Fahrrad-Fahrenden und Zu-Fuß-Gehenden ist größer geworden. Die brisanten Situationen zwischen diesen beiden Gruppen auf gemeinsamen Fuß-/Radwegen nehmen ständig zu. Dass die Behörden deshalb nach Lösungen suchen, um diesen Konflikt zu entschärfen, verdient unser uneingeschränktes Lob.
Innerorts sind viele Straßen in Datteln auf Tempo 30 reduziert, entweder als Tempo-30-Zonen oder als Tempo-30-Strecken. Tempo-30-Zonen befinden sich zumeist in Wohngebieten. Hier darf es keine Lichtzeichen, keine geregelten Kreuzungen oder Einmündungen, keine Fahrstreifenbegrenzungen (Zeichen 295), keine Leitlinien (Zeichen 340) und keine benutzungspflichtigen Radwege (Zeichen 237, 240, 241 oder Zeichen 295 in Verbindung mit Zeichen 237) geben. Im Umkehrschluss heißt das: sollte es bei Einführung einer Tempo-30-Zone solche Einrichtungen geben, sind sie illegal und müssen beseitigt werden. In diesen Tempo-30-Zonen zeigt sich, dass der Radverkehr auf der Fahrbahn im Mischverkehr den Normalfall darstellt – eben weil keine gesonderte Radverkehrsanlage vorhanden ist.
Piktogramme auf der Hafenstraße
Tempo-30-Strecken sind innerorts an zahlreichen Verbindungsstraßen angeordnet: z.B. Hafenstraße, Grüner Weg, Neuer Weg. Hier dürfen die oben genannten Einrichtungen vorhanden sein. An vielen dieser Tempo-30-Strecken gibt es bzw. gab es funktionierende, separat markierte benutzungspflichtige Radwege: so auch an der Lohstraße, der Münsterstraße, dem Grünen Weg, dem Westring. Die Dattelner Verwaltung hat im letzten Jahr die Benutzungspflicht der Radwege an zahlreichen Straßen aufgehoben, die als Tempo-30-Strecken ausgewiesen sind. Wohl deshalb, weil hier eine „hohe“ Gefährdung der Radfahrer nicht gegeben zu sein scheint, leitet man den Radverkehr in den Mischverkehr auf der Fahrbahn: Um den Kraftfahrzeugverkehr auf das Vorhandensein und die besondere Schutzbedürftigkeit des Radverkehrs hinzuweisen, hat man im Bereich des rechten Fahrbahnrands Fahrrad-Piktogrammketten aufgebracht,
Auf der nördlichen Seite des Grünen Weges, einer Tempo-30-Strecke,
steht ein blaues Schild, das die Benutzungspflicht für Radfahrende anzeigt.
In dem bereits erwähnten, zu Grunde liegenden Erlass des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes NRW, auf den sich die Stadt Datteln bei der Umsetzung ihrer Maßnahme beruft, steht aber auch, dass geeignete Strecken für diese Piktogrammketten insbesondere Straßen sein können, an denen noch keine gesonderten Radverkehrsanlagen vorhanden oder diese nicht umsetzbar sind, z. B. aufgrund geringer Straßenbreiten oder im Bereich von Engstellen.
Dort wo es funktionierende, gut befahrbare Radwege gibt und die Radfahrer – im Sinne des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts – die Wahl zwischen Fahrbahn und Radweg haben, zeigt sich übrigens, dass in Datteln die Mehrzahl der Radfahrer weiterhin den baulich abgetrennten Radweg benutzt. An Engstellen, wie vor dem ehemaligen Lokal „Zum Lohbusch“ suchen viele Radfahrer lieber den Weg zurück auf den Bürgersteig als dass sie links an den parkenden Autos vorbeifahren.
Diese Beobachtungen lassen die Dattelner Grünen zu dem Schluss kommen, dass es dem Fahrverhalten der Dattelner Radfahrer entsprechend sinnvoller ist, dort, wo es möglich ist, den Radverkehr weiterhin auf die gesonderten Verkehrsflächen zu lenken und nicht im Mischverkehr auf der Fahrbahn zu führen, z.B. an der Loh- und Münsterstraße oder auch auf dem Grünen Weg, dem Westring oder der Emscher-Lippe-Straße.
Am Westring: In der Regel benutzen
die Radfahrer den Radweg.
Fazit:
Nach Ansicht der Dattelner Grünen sollte man dort, wo die Radfahrer die Wahl zwischen Fahrbahn und baulich abgesetztem Radweg haben, die Führung über den Radweg priorisieren. Die angebotene Gelegenheit, mit Hilfe von Piktogrammketten eine sichere Führung des Radverkehrs im Mischverkehr ermöglichen, sollte man nur dort ergreifen, wo es keine angemessenen gesonderten Verkehrsflächen für den Radverkehr gibt.
Am Westring zwischen Friedrich-Ebert-Straße und Hachhausener Straße, auf der Seite des Kindergartens und der Antoniuskirche: dort wo sich Fußgänger und Radfahrende einen schmalen Bürgersteig teilen müssen, ist das blaue Schild mit dem Fahrradsymbol noch nicht abgenommen.
Regeln für das Fahren mit dem Rad innerhalb geschlossener Ortschaften
Fußgängerzone und Bürgersteige: Die besonders stark gefährdeten Kinder bis 8 Jahren müssen auf dem Bürgersteig fahren, Kinder bis 10 Jahren dürfen den Gehweg benutzen. Erwachsenen ist das Fahren mit dem Rad in Fußgängerbereichen nur ausnahmsweise gestattet bei dementsprechender Beschilderung; die Vorrechte der Zufußgehenden sind zu beachten.
Verkehrsberuhigte Zonen: Schritt fahren auf der Fahrbahn
Tempo-30-Zonen: Fahren mit dem Rad auf der Fahrbahn, integriert in den Mischverkehr
Seit dem 01.02.2001 sind benutzungspflichtige Radwege in Tempo-30-Zonen zudem unzulässig. (StVO § 45 (2)
Tempo-30-Strecken ohne baulich abgetrennte Radwege: Fahren mit dem Rad auf der Fahrbahn, integriert in den Mischverkehr (z.B. Pahlenort, Türkenort)
Tempo-30-Strecken mit baulich abgetrennten Radwegen ohne größere Gefahrenmomente, d.h. ohne Radwegebenutzungspflicht:
wahlweises Fahren mit dem Rad auf der Fahrbahn oder auf dem baulich abgetrennten Radweg; die Benutzung des baulich abgetrennten Radweges wird empfohlen. (z.B. Loh- und Münsterstraße, Grüner Weg, Westring, Emscher-Lippe-Straße)
Den kommunalen Ordnungsbehörden wird die Möglichkeit des zweckdienlicher Einsatzes von Piktogrammketten eröffnet.
Tempo-30-Strecken mit baulich abgetrennten Radwegen mit größeren Gefahrenmomenten, d.h. mit Radwegebenutzungspflicht: Fahren mit dem Rad auf dem baulich abgetrennten Radweg (z.B. Emscher-Lippe-Straße zwischen dem Kreisverkehr bei Aldi und Castroper Straße)
Tempo-50-Strecken mit baulich abgetrennten Radwegen mit größeren Gefahrenmomenten, d.h. mit Radwegebenutzungspflicht:
Fahren mit dem Rad auf dem baulich abgetrennten Radweg
Besonders eng wird es für Fußgänger und Radfahrer an der Bahnhofstraße.