Kommentare zum Klima-Streik in Datteln
Protest, der nicht wehtut?
von Sebastian Balint in Dattelner Morgenpost vom 18.09.2019
Ich begrüße das Engagement der Schüler. Aber welchen Wert hat ein Streik, der niemandem wehtun möchte? Immerhin erfolgt die zweistündige Protest-Aktion am Freitag in enger Abstimmung mit der Schulleitung und sogar mit Unterstützung der Stadtverwaltung. Das ist bequem und erhöht die Chancen auf wenig "Gegenwehr". Schließlich wird nicht geschwänzt. Dennoch werden die Schüler ihre Kritiker nicht überzeugen. Im Gegenteil: Es wird Wasser auf ihren Mühlen sein. Der legitimierte Streik wird nun vermutlich durch diese als politisch gesteuerte Aktion abgewertet werden. Bleibt also zu hoffen, dass ihr Einsatz nicht nach hinten losgeht und die Jugendlichen ihrer guten Absicht einen Bärendenst erweisen.
Den Bock zum Gärtner machen!
von Theodor Beckmann, Wählergemeinschaft Die Grünen
Setze dich an die Spitze einer Bewegung, die dir gefährlich werden könnte, und nehme ihr dadurch die Brisanz.
Dieser uralte Taktik bemüht auch BM Dora. Er ist mitverantwortlich für die größte Dreckschleuder, die in Datteln gebaut wurde - Datteln 4. Er ist mitverantwortlich dafür, dass der Raum für Radfahrer in unserer Stadt möglichst klein gehalten wird. Er ist mitverantwortlich dafür, dass für die Bequemlichkeit und das schnellere Fortkommen der Autofahrer Millionen ausgegeben werden, für die RadfahrInfrastruktur bleiben da nur wenige Tausend Euro übrig. Er ist mitverantwortlich für den katatstrophalen ÖPNV in unserer Region, der zu teuer, zu langsam und zu selten fährt.
Nun stellt er sich an die Spitze der Klimaschützer. FFF-Datteln lässt sich von der Person vereinnahmen, an die sie eigentlich ihre scharfe Kritik richten sollte. Wer sagt das den jungen Leuten?
In Datteln wird mit Genehmigung gestreikt
von Rainer Köster, IG Meistersiedlung
Als ich heute meine Zeitung aufgeschlagen habe, war ich erfreut darüber zu lesen, dass sich in Datteln endlich junge Leute dazu entschlossen haben, in Datteln einen Ortsverband „Fridays for Future Datteln“ zu gründen und am Freitag für einen Klimaschutz zu demonstrieren. Das wurde auch wirklich Zeit.
Als ich dann den Artikel von Frau Bialas durchgelesen habe, war ich ein wenig irritiert. Sicherlich ist es bedeutsam, dass jeder einzelne seinen kleinen individuellen Beitrag leistet, um den Klimawandel zu verlangsamen indem er auf Plastiktüten verzichtet, seinen Fleischkonsum einschränkt, sich einen Sodastreamer anschafft
und Fahrrad statt Auto fährt und finde es auch wichtig, dass man sich darüber Gedanken macht. Aber als Dattelner Bürger schaue ich jeden Tag auf den 180 m hohen Kühlturm des noch nicht ganz fertig gestellten Kraftwerkes Datteln 4, das in unserer unmittelbarer Nähe errichtet wurde. Das Kraftwerk ist so nah an Dattelner Siedlungen gebaut worden, dass der im Abstandserlass des Landes NRW erforderliche Mindestabstand von 1500 m deutlich unterschritten wird. Selbst unsere Kinderklinik, auf die wir alle stolz sind, befindet sich innerhalb dieser besonders gefährdeten Zone.
Datteln 4 wird nämlich das größte Steinkohlemonokraftwerk Westeuropas sein. Es wird jährlich, neben anderen Schadstoffen, bis zu 8,5 Milionen Tonnen CO2 emittieren. Es wird einen Kohleverbrauch (Kohle aus Kolumbien) von bis zu 8000 Tonnen täglich haben.
Neben der Genehmigung diese riesige Menge Kohle zu verbrennen, dürfen die Leute von Uniper noch bis zu 800 Tonnen Petrolkoks (Reststoffe aus der Petrochemie) hinzumischen, was bedeutet, dass zusätzlich erhebliche Mengen Schwermetalle emittiert werden. Neben den giftigen Immissionen, die auf uns und unsere Nachbarn verteilt werden, sind negative Einflüsse bis zu den Kappenberger Wäldern zu erwarten. Auch werden wir uns darauf einstellen müssen, dass in bestimmten Stadtteilen durch Verschattung 10 % weniger die Sonne scheinen wird. Das bedeutet hochgerechnet in 10 Jahren wird es 1 Jahr ohne Sonne sein.
All diese Dinge werden in dem Artikel weder beschrieben oder auch nur erwähnt.
Frau Bialas, haben Sie diese Themen unterdrückt oder ist tatsächlich über Datteln 4 nicht gesprochen worden. Wenn es wirklich so sein sollte, dann weiß ich wirklich nicht, was in Datteln noch passieren muss, damit die Gegnern des Klimawandels auch bei dem Thema Datteln 4 Stellung beziehen. Trotzdem finde ich es gut, dass durch diese geplante Demonstration ein Schritt in die richtige Richtung gemacht wird. Mir selbst ist es so wichtig, dass ich mit Sicherheit an dieser Kundgebung teilnehmen werde.
André Dora – ein umweltpolitischer 'Influencer'?
Leserbrief von Prof. Dr. Gerd Stein an die Dattelner Morgenpost
Den Initiatorinnen und Organisatoren des Dattelner „Fridays For Future“ („FFF“)-Projektes gebührt wahrlich Respekt und Dank, und zwar dafür, dass junge (und alte) Menschen nun endlich auch in Datteln (wenn auch arg verspätet – aus welchen Gründen auch immer …) als Mit-Unterstützer bzw. Sympathisanten einer inzwischen weltweiten analytisch-kritischen Bürger/innen-Bewegung „aktiv“ in Erscheinung treten können, wenn sie denn wollen.
Zwar mag ich das Wort „Aktivist/in“ in diesem Zusammenhang nicht. Gleichwohl: es ist ein löbliches Bemühen von (nicht nur jungen) Menschen, die sich als selbstbewusst-engagierte Anwälte einer einer alternativen, nachhaltigen Umweltpolitik und vor allem einer dringend notwendigen Klimaverbesserungspolitik verstehen.
Wer deren Engagement hähmisch und abfällig als Aktionismus und Hysterie oder gar aös „Symbol-Politik“ bezeichnet und schmäht sowie damit abzuwerten versucht, der mache sich doch bitte klar, Sonntagsreden und Wahlversprechen von Parteipolitikern sind stets nur schlechte „Symbol-Politik“, ebenso auch manche mehr oder weniger gelungenen, politisch-bezogenen Kommentare von Journalisten. Es gibt halt gute „Symbol-Politik“ (etwa Willy Brandts Erklärung „Wir wollem mehr Demokratie wagen“) und schlechte (etwa Konrad Adenauers Empfehlung „Keine Experimente“).
Der Begriff „Klima-Streik“ (von wem auch immer erfunden) ist allerdings der Sach nach unzutreffend, ja paradox. Denn den „FFF“-Initiatoren wie auch ihren wissenschaftlichen Unterstützern und Verfechtern geht es doch gerade nicht um eine ANTI-Kampagne, sondern um klima-relevante Demonstrationen und Aktionen – durch PRO-test und PRO-vokation. Es geht dabei nicht nur um so für- wie vorsorgliche, globale wie lokale Bemühungen, sondern nicht zuletzt um die entschiedene Herausforderung von Politikern zu entsprechendem Handeln, und zwar problem-orientiert und multi-perspektivisch, was längst überfällig ist und geboten erscheint.
Dass unser Bürgermeister sich anschickt, selbst zum Klima-Aktivist zu werden, dürfte manche Bürger/innen irritieren, Nicht allein deshalb, weil er beim geplanten Start der Schüler/innen-Demonstration dabei sein will, sondern insbesondere deshalb, weil er dem Protestzug (zum Rathaus!) zuvor mit einer Unterstützungs-Ansprache eröffnen möchte (wie der DMP zu entnehmen war). Das wäre freilich nicht nur schlechte, sondern zugleich unglaubwürdige „Symbol-Politik“.
Völlig überrascht war ich schließlich von seiner in der DMP zitierten Behauptung „Bevor (!) es die „FFF“-Aktionen gab, haben wir (?) uns schon mit einem Klimaschutzkonzept für die Stadt Datteln auf den Weg gemacht“. Jedenfalls erinnere ich mich noch nur zu gut an ganz andere Erfahrungen im Stadtentwicklungsausschuss (Vorsitzender seinerzeit Andrè Dora) über unheilige Allianzen von Politik und Ökonomie (zum einen den Ruhr-Zink-Skandal, zum anderen das bürger/innen- wie wie umweltschädliche Bubenstück-Projekt Datteln 4 betreffend)
Dass angesichts schon derartiger Fehlleistungen der Dattelner Verwaltung sich der nunmehrige Bürgermeister (nach wie vor entschiedener wirtschaftspolitischer Verteidiger von Datteln 4) jetzt gar als ambitionierter Umwelt- und Klima-Anwalt zu inszenieren versucht, lässt sich nicht einmal im Blick auf die 2020 anstehende Kommunalwahl rechtfertigen. Andrè Dora – seit langem ein umweltpolitischer 'Influencer'? Die Worte höre ich wohl, allein – mir fehlt der Glaube.