Datteln4 Geschichte2

Zur Geschichte des umstrittenen Steinkohlekraftwerks Datteln 4




Phase 2: Die beklagte Fertigstellung des Kraftwerks

26.11.2009         Antrag der Firma E.on auf Einleitung eines Verfahrens zur Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes gemäß § 12 Baugesetzbuch, um eine neue wirksame planungsrechtliche Grundlage für das Kraftwerksvorhaben zu schaffen.

Winter 2009/2010     Bemühen um die Schaffung der planungsrechtlichen Voraussetzungen auf den Ebenen der Landesplanung, der Regionalplanung und der Bauleitplanung: Mit der Änderung des Kapitels „Energieversorgung“ des zuvor wirksamen Landesentwicklungsplans 1995 will das (von CDU und FDP geführte) Land Nordrhein-Westfalen im Hinblick auf die in der Energie- und Klimaschutzstrategie der Landesregierung vom 29.04.2008 neu formulierten Zielsetzungen neue Ziele und Grundsätze der Raumordnung festlegen, u.a. eine Planrechtferigung für die Erneuerung des landesbedeutsamen Kraftwerksparks.

Februar 2010         Die Bewohner der Meistersiedlung schließen sich zusammen, um sich gegen den Bau des E.ON-Kraftwerks wehren - und das neue Vergabeverfahren zum Bebauungsplan dazu nutzen, Einfluss zu nehmen. Die neugegründete Interessengemeinschaft (IG) Meistersiedlung sammelt fleißig Unterschriften gegen das neue E.ON-Kraftwerk und fordert den Rat auf, das Kraftwerk nicht durch einen neuen Bebauungsplan zu legalisierien. Zu den ersten Treffen der IG kommen bis zu 150 Bürger in die Gaststätte Postkutsche.

17.03.2010         Einleitung des Verfahrens zur Aufstellung des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes Nr. 105a – Kraftwerk –. durch den Rat der Stadt Datteln.

21.04.2010         Ex-Umweltminister Jürgen Trittin kommt nach Datteln: Nach einem Rundgang über den Baustelle trifft er die Anwohner der nahe gelegenen Meistersiedlung und stellt sich demonstrativ an ihre Seite; er bezeichnet Datteln 4 als „Schwarzbau“, nennt das Projekt ökonomisch und ökologisch unsinnig. (Foto. Andreas Kalthoff, Dattelner Morgenpost)
04.05.2010         „Zuviel Kohle macht auch nicht glücklich. Für den Abriss!“ war kilometerweit auf dem Kühlturm des Kohlekraftwerks in Datteln zu lesen. Am Abend war der gigantische Kühlturm die Projektionsfläche für die Kritik an der verfehlten Klima- und Energiepolitik der Landesregierung.   https://www.youtube.com/watch?v=K_aoCr0sZJQ

03.09.2010         Zum Jahrestag des Kraftwerksurteils marschieren gut 200 Demonstranten von der nahe gelegenen Wohnsiedlung zum Kraftwerksgelände, um gegen den Weiterbau des Kraftwerks zu protestieren. Neben der IG Meistersiedlung, dem BUND und den Grünen sind auch die Waltroper Bürgermeisterin und die evangelischen Geistlichen, Pfarrer Thomas Mämecke und Diakon Horst Borrieß, vor Ort. (Fotos: Norbert Schmitz)

18.05.2011        
Die neue Landesregierung NRW (SPD und Grüne) bekundet die Absicht, die von der alten Landesregierung angestrebte Änderung des LEP (Energiekapitel) nicht weiter zu verfolgen. Kraftwerkskritiker betonen, dass durch die Einstellung des Verfahrens zur 1. Änderung des Landesentwicklungsplans Nordrhein-Westfalen – Energieversorgung durch die neue Landesregierung die Rechtsgrundlage für den Einleitungsbeschluss des Rates vom 17.03.2010 nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage entfallen ist.  
Der Rat der Stadt Datteln schließt sich der gutachterlichen Stellungnahme von Professor Dr. Martin Beckmann an, die zu dem Ergebnis kommt, dass eine solche Annahme unbegründet sei, weil eine kommunale Planung, die mit einem Ziel der Raumordnung kollidiert, dennoch im Wege eines Zielabweichungsverfahrens gemäß § 16 Landesplanungsgesetz NRW im Einzelfall erfolgreich durchgeführt werden kann. Auf dieses planungsrechtliche Instrument hatte das OVG in seiner Urteilsbegründung ausdrücklich hingewiesen.
17.03.2012         "Recht muss Recht bleiben" - unter diesem Motto hat das Protest-Bündnis "Nein zu Datteln 4!" zum "Heimleuchten" aufgerufen. An den Ufern des Dortmund-Ems-Kanals wird eine Menschenkette mit 600 Fackeln bis zur Kraftwerksbaustelle gebildet.
Ein breites Bündnis aus lokalen und überregionalen Initiativen, Umwelt- und Klimaschutzverbänden und politischen Parteien hatte zu diesem Protest aufgerufen. Auf einer kleinen Bühne kann Rainer Köster, Sprecher der IG Meistersiedlung, Winfried Schwab-Posselt, Sprecher der „BI Stopp Staudinger“ aus Hainburg, Dirk Jansen, Geschäftsleiter des BUND NRW, Daniela Setton, Abgesandte der klima allianz Berlin und den Dattelner Schifferseelsorger Horst Borrieß – in seiner Funktion als Vorsitzender der BUND Ortsgruppe Ostvest – begrüßen. Sie alle rufen dazu auf, das Gerichtsurteil des OVG und des BVG endlich zu akzeptieren und die Versuche zu beenden, das Kraftwerk durch die Hintertür zu genehmigen.
Video der Rede von Dirk Jansen: https://www.youtube.com/watch?v=pPuRXGgYKSU

12.06.2012         Aufhebung des immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids sowie einzelner Teilgenehmigungen durch Urteil des OVG Münster, das  Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat diesen Beschluss am 26. Juni 2013 bestätigt.
Die 1., 4. und 5. Teilgenehmigung sind von der Bezirksregierung Münster zur Erledigung anhängiger Rechtsstreitigkeiten mit Bescheid vom 5. Dezember 2013 zurückgenommen worden. Die nicht beklagte 2. Teilgenehmigung vom 2. April 2007 und die 3. Teilgenehmigung vom 12. Dezember 2007 blieben aber bestandskräftig, aufgrund derer etwa der Kühlturm, das Kesselhaus und die Rauchgasreinigungsanlagen bereits errichtet wurden.

06.12.2013         Auf Antrag des RVR (vom 05.07.2013) wird in einem Beschluss der Staatskanzlei von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) der laut Landesplanung vorgeschriebene 1500 Meter Abstand zwischen Kraftwerk und Wohngebiet umgangen (Zielabweichung) und der tatsächliche Abstand von nur 450 (!) Metern genehmigungsfähig.
Mit dem Zielabweichungsverfahren versucht die Landesregierung zwingende Vorgaben des Landesentwicklungsplans zu umgehen, die das Kraftwerk an dem jetzigen Standort verbieten. Gleichzeitig soll damit auch die Basis für die Verabschiedung eines neuen Bebauungsplans gelegt werden. Das Landesplanungsgesetz NRW sieht zwar vor, dass im Einzelfall mittels eines Zielabweichungsverfahrens ausnahmsweise von den Vorgaben der Landesplanung abgewichen werden kann, sofern die Grundzüge der Landesplanung nicht berührt werden. Kritiker betonen, dass das beabsichtigte Abweichungsverfahren Zielfestlegungen der Raumordnung widerspricht und daher unzulässig ist, wie bereits 2011 ein Rechtsgutachten im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe bestätigte. Als Juniorpartner in der Landesregierung lassen die Grünen diese Entscheidung „zähneknirschend“ passieren, um nicht andere grüne Projekte in NRW zu gefährden.
Thomas Krämerkämper (BUND): „Mit dem einvernehmlichen Ja zur so genannten Zielabweichung macht Rot-Grün wie zuvor schon Schwarz-Gelb den Weg frei für den Kohlemeiler.“ Es sei eine „politische Entscheidung gegen die betroffenen Anwohner“ und ein „beschämender Kniefall“ vor den Interessen von E.on. Für den Verband bleibt der Kraftwerksstandort unvereinbar mit den landesplanerischen Vorgaben; zudem drohten weiterhin hohe Schadstoffbelastungen für nahe FFH-Naturschutzgebiete.

14.05.2014     Ein neuer vorhabenbezogener Bebauungsplan (BPlan 105a) für das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 wird vom Rat der Stadt Datteln beschlossen. Dagegen haben der  BUND und Mitglieder der IG Meistersiedlung wiederum 2015 Normenkontrollbeschwerde beim OVG Münster eingereicht.

03.09.2014         Am 5. Jahrestag des OVG Münster Urteils gegen den Bebauungsplan Datteln 4 feiern Vertreter des ‚Aktionsbündnisses gegen Datteln 4‘ und der direkt neben dem Kraftwerk gelegenen ‚IG Meistersiedlung‘ dieses Jubiläum unter dem Motto „Recht muss Recht bleiben“ mit einem weiteren Heimleuchten am Kanal gegenüber der Baustelle. (Foto: Andreas Kalthoff, Dattelner Morgenpost)

Im April 2015 füllen die Antragsunterlagen für den Bebauungsplan 105a schon eine ganze Regalwand.
(Foto: Amdreas Kalthoff, Dattelner Morgenpost)

21.-25.09.2015  
   Erörterungstermin: die Vertreter der Umweltschutzverbände verlassen den Termin vorzeitig, nachdem der Gutachter eingeräumt hat, dass Eon ein anderes Kraftwerk begutachten lässt, als tatsächlich gebaut werden soll.
„In den Antragsunterlagen geht Eon von einer idealen Durchmischung von Dampfschwaden und Rauchgas im Kühlturm aus. Dadurch würden die Schadstoffe höher in die Atmosphäre getragen, großräumig verteilt und verdünnt. Tatsächlich aber, so bestätigt das Unternehmen im Erörterungstermin, sei der Kühlturm so gebaut, dass eine Durchmischung der Abluftfahnen im Kühlturm gezielt unterbunden wird. Im Realbetrieb hätte das Kraftwerk für die Region voraussichtlich wesentlich nachteiligere Auswirkungen, als von Eon berechnet.“
https://www.bund-nrw.de/presse/detail/news/eroerterungstermin-zum-kohlekraftwerk-datteln-4-gescheitert/

04.03.2016         Zulassung der Bezirksregierung Münster an den Vorhabenträger Uniper, bereits vor der endgültigen Genehmigung weitere Arbeiten zur Errichtung des Kraftwerks durchzuführen.

19.01 2017    Erteilung einer Sondererlaubnis (die immissionsschutzrechtliche Genehmigung) zur Fertigstellung und zum Betrieb von Block 4 durch die Bezirksregierung Münster; Der BUND klagt wiederum gegen den Genehmigungsbescheid.
https://www.bezreg-muenster.de/zentralablage/dokumente/umwelt_und_natur/immissionsschutzrechtliche_genehmigungsverfahren/2017/2017-01-19-Uniper_Endfassung-BImSchG-Genehmigung-Kraftwerk-Datteln-4.pdf

November 2017     E.on verkauft seine Anteile an Uniper (47 Prozent) an das finnische Staatsunternehmen Fortum.

Dezember 2017     Es wird bekannt, dass in Datteln 4 Stahl verbaut worden ist, der den Anforderungen der Erhitzung auf 650 Grad nicht standhält. Das Problem sind die Verschweißungen, mit denen die Rohre nicht dicht zu bekommen sind. Es genügt nicht, die Schweißarbeiten erneut auszuführen, der komplette Stahl muss ausgetauscht werden.

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