Wird in Datteln die Windenergie zu Bürgerenergie?
Öffentliche Erklärung der Wählergemeinschaft Die Grünen Datteln zur geänderten Rechtslage bei der Windenergie in NRW und im Bund
12.02.2024
In Nordrhein-Westfalen hat es für die Nutzung der Windenergie gute und schlechte Zeiten gegeben. Die Grünen haben sich immer vehement dafür eingesetzt. Andere Parteien wollten lange nicht glauben, dass an dem Abschied von den fossilen Brennstoffen kein Weg vorbeiführt. Und jetzt endlich haben CDU und Grüne im Landtag Ende des vergangenen Jahres das weitreichendste und eindeutigste Energiegesetz unter allen Bundesländern beschlossen, das klar macht, dass die Akzeptanz von Windrädern noch weiter gefestigt und gefördert werden muss. Das neue Gesetz soll, obwohl bereits 80 Prozent der Bevölkerung keine Vorbehalte gegen Windräder mehr haben, genau dies erreichen, indem es den Anwohnern und Standortgemeinden von Windrädern die Möglichkeit eröffnet, mit der Windenergie auch Geld zu verdienen. Das neue Gesetz mit dem langen Namen „Gesetz über die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern sowie Gemeinden an der Windenergienutzung in Nordrhein-Westfalen (Bürgerenergiegesetz NRW - BürgEnG)“ ist am 29. Dezember 2023 in Kraft getreten und legt verbindlich fest, dass Windradinvestoren das damit auch verbundene Geschäft in Zukunft nicht mehr ganz alleine machen dürfen. Sie sind jetzt verpflichtet, vom Zeitpunkt der Genehmigung an Interessierten eine Beteiligungsmöglichkeit anzubieten, sie gleichsam mit ins Boot zu holen. So soll wenigstens ein Teil der Wertschöpfung am Standort verbleiben und der regionalen Wirtschaft Impulse geben.
Februar 2024: Die Firma GP Joule hat m Dattelner Gebiet Löringhof zwei neue Windräder errichtet.
Am Anfang können die Investoren noch überlegen und sich mit der Gemeinde beraten, wie die Beteiligungsmöglichkeit ausgestaltet werden soll. Kommt es zu keiner einvernehmlichen Übereinkunft, sieht das Gesetz eine zweite Stufe verbindlich vor: Die Investoren müssen nach einem Jahr ohne Einigung eine Ersatzbeteiligung einrichten. Das geschieht dadurch, dass an die Standortgemeinde über 20 Jahre 0,2 Cent für jede Kilowattstunde fließen, die vor Ort generiert werden. Oder die Betreiber des Windrades bieten den in der Gemeinde lebenden Einwohnern an, dass sie sich mit einem Nachrangdarlehen über eine Laufzeit von 10 Jahren zu einem attraktiven Zinssatz an der Finanzierung des geplanten Projektes beteiligen. Hierzu müssen mindestens pro installierter Kilowattstunde Leistung der Anlage 90 000 Euro vorgesehen werden.
Kommt auch diese Beteiligungsmöglichkeit nicht zustande, folgt als dritte Stufe die Ersatzzahlung. Dann müssen die Betreiber 0,8 Cent pro erzeugter Kilowattstunde über 20 Jahre an die Gemeinde zahlen. Das ist eine Menge Geld, welches die Gemeinde ohne Einschränkungen für die verschiedensten Zwecke ihrer Wahl verwenden kann.
Man sieht an diesen drei Stufen, dass es dem Gesetzgeber sehr ernst ist mit der erklärten Absicht, den Bürgern und der Gemeinde einen finanziellen Vorteil zu verschaffen, wenn am Ort ein Windrad oder mehrere Windräder errichtet werden. Und dass es wirklich funktionieren soll, zeigt auch, dass nach dem Gesetz eigens eine neue Transparenzplattform bei der zuständigen Behörde im Internet eingerichtet werden wird, auf der alle die Planungen und den Stand der Dinge zeitnah verfolgen können. Außerdem gibt es in NRW eine Fachagentur Windenergie an Land, die schwerpunktmäßig bei der Ausgestaltung der Verträge behilflich ist.
Februar 2024: Die Rotorblätter der ersten Windkraftanlage sind montiert.
Das alles hat sich gerade auf der Landesebene getan, um den Ausbau der Windenergie bestmöglich voranzubringen. Vor allem die CDU, die in ihrer vorherigen Koalition mit der FDP lange noch auf der Bremse stand, hat deutlich andere Positionen eingenommen und die Zeichen der Zeit erkannt.
Unterstützt wird das Bemühen um mehr Akzeptanz für erneuerbare Energien und für einen zügigen Ausbau auch auf der Ebene des Bundes. Die Ampelregierung hat auch das grundlegende EEG 2021 (Erneuerbare Energien Gesetz) umfassend novelliert und neue vereinfachte und verbesserte Bedingungen eingeführt. Dieses neu gefasste EEG, vollständig in Kraft getreten am 1. Januar 2023, ergänzt das Bürgerenergiegesetz unseres Landes und regelt weitere wichtige Einzelheiten bei Wind- und Solaranlagen. In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass die Betreiber von Windrädern die Kommunen finanziell beteiligen können, was mit 0,2 Cent pro Kilowattstunde in der Regel inzwischen Bestandteil von Verträgen zwischen Betreibern und Standortkommunen ist. Mit einer solchen finanziellen Teilhabe können auch Datteln und die Nachbarstadt Waltrop bei den zwei großen Windrädern rechnen, die jetzt gerade im Bereich Löringhof durch die Firma GP JOULE aus Reußenköge in Schleswig-Holstein errichtet und bald in Betrieb gehen werden. Die Firma GP JOULE hat signalisiert, dass die Bereitschaft zu einem entsprechenden Vertragsabschluss besteht.
Die EEG Novelle 2023 regelt auch, wie zu verfahren ist, wenn Windräder, wie in diesem Fall, nahe an der Stadtgrenze stehen und zwei Gemeinden betroffen sind: In Gedanken wird ein Kreis mit 2500 Metern Durchmesser um jeden Windradturm gezogen. Dann wird berechnet, wie viel an Kreisfläche jeweils auf Dattelner und wie viel jeweils auf Waltroper Stadtgebiet liegt. In dem gleichen Verhältnis soll dann auch das Geld der finanziellen Teilhabe zwischen den Kommunen aufgeteilt werden. Geht man davon aus, dass die beiden Windräder 26.600.000 Kilowattstunden Strom erzeugen und diese verkaufen werden, käme ein Betrag von gut 53.000 Euro zur Verteilung. Das würde bedeuten: Datteln mit einem Flächenanteil von 57 Prozent bekommt ca. 30.000 Euro jährlich, und Waltrop mit einem Flächenanteil von 43 Prozent bekommt knapp 23.000 Euro, wenn ein entsprechender Vertrag zustande kommt.
Wie oben dargelegt wurde, ist nach dem neuen Bürgerenergiegesetz von Nordrhein-Westfalen eine noch intensivere Beteiligung der örtlich betroffenen Menschen vorgesehen. Das ist aber realistisch gesehen erst für die Zeit nach Inkrafttreten des Gesetzes zu erwarten. Für dieses Gesetz sind die neuen Dattelner Windräder zu früh in die Planung gegangen. Die Betriebsgenehmigung ist schon mehr als ein Jahr alt, der Dattelner Windpark von GP JOULE fällt also rein formal nicht mehr unter dieses neue Gesetz.
Doch die Frage bleibt, ob bei den Betreibern und Besitzern der Anlage der Dattelner Windräder nicht die Bereitschaft vorhanden ist, angesichts dessen, was demnächst andernorts passieren wird und wie die Beteiligungsmöglichkeiten nach und nach überall erweitert werden, finanziell jetzt schon freiwillig mehr zu tun, als gesetzlich an einem älteren Standort nun geboten ist. Die Firmengründer und Inhaber, die Herren Gärtner und Petersen, haben in den letzten beiden Jahrzehnten ein sehr erfolgreiches Unternehmen aufgebaut, das sich um alle Sparten der Erneuerbaren Energien kümmert. Sie betonen sehr ihren Pioniergeist. Sie werden vielleicht ein Gespür dafür haben, dass ihr Unternehmen langfristig nur dann gedeihen und wachsen kann, wenn eine breite Akzeptanz ihr Wirken begleitet. Und in diese Akzeptanz muss gemessen an dem jetzt Möglichen und Gebotenem eben auch investiert werden.
Februar 2024: Montage der Windkraftanlagen im Gebiet Löringhof
Datteln könnte langfristig für die Firma GP JOULE vielleicht ein wertvoller Standort bleiben, wenn man an die Möglichkeiten zum späteren Repowering (vollständiger Ersatz veralteter Windräder), die Wasserstofferzeugung und die Fernwärmeinfrastruktur denkt. Außerdem gibt es Brachflächen auf der ehemaligen Mülldeponie und dem Gelände Emscher-Lippe 3/4, beide nicht uninteressant für Photovoltaik.
Die Wählergemeinschaft Die Grünen meint, unsere Stadt hat den Investoren einiges zu bieten. Es müsste nur eine verantwortliche Person den Gesprächsfaden aufnehmen und herausfinden, wie viel sich die Firma GP JOULE die Akzeptanz der Dattelner Bevölkerung zusätzlich kosten lassen würde.
Sie warten auf ihre endgültige Inbetriebnahme: Die neue Löringhofbrücke und die Windräder der Firma GP Joule.