Naturschutz beginnt Zuhause

Naturschutz beginnt zu Hause

16.12.2021


Artenschutz, Biodiversität, Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad verdienen höchste Priorität in den Bestrebungen aller, die eine lebenswerte Umgebung für Mensch und Tier schaffen wollen. In den zurückliegenden Jahren hat sich aber ein Trend Bahn gebrochen, die Vorgärten mit Kies und Schotter zu bedecken, aufgelockert durch ein wenig Alibi-Grün.

„Viele echte Wüsten sind lebendiger als die künstlichen Steinwüsten der Vorgärten.“

Angeprangert: Schottergärten


In den Augen ihrer Befürworter:innen gelten sie als edel, als topmodern, als unkrautfrei und pflegeleicht, als formvollendet gestaltet. Nun kann man über Geschmack schlecht streiten, über Klimatauglichkeit jedoch wohl. Bei Klimaschützer:innen sind sie in Verruf geraten, als klimaschädlich und insektenfeindlich, diese grauen Steinwüsten aus grauem Betonstein, geschliffenem Granit oder weißem Flusskiesel, die sich auch in zahlreichen Dattelner Vorgärten finden.


Im Sommer heizen sich Schottergärten stärker auf als naturnahe Gärten. Die in den Steinen gespeicherte Wärme wird über Nacht abgegeben und wirkt so der erfrischenden Abkühlung entgegen. Der Boden kann kein Wasser speichern und es fehlen große Pflanzen, die Schatten spenden. Oft sind sie nämlich so angelegt, dass das Regenwasser – durch ein wasserdichtes Vlies – daran gehindert wird, in den Boden und somit letztlich ins Grundwasser zu versickern; stattdessen vermischt es sich mit dem Schmutzwasser - es fließt über die Kanalisation in die Kläranlage, wo es mit großem Aufwand gesäubert werden muss.


Und: Von pflegeleicht und unkrautfrei sind Schottergärten weit entfernt. Relativ schnell wird klar, dass die ursprüngliche „Sauberkeit“ ohne regelmäßige Pflege nicht erhalten bleibt. Denn Herbstlaub und Blütenblätter landen auch im Schottergarten – wenn nicht aus dem eigenen Garten, dann aus der Nachbarschaft. Trockenes Laub kann man nicht abharken oder wegfegen, es versteckt sich zwischen den Steinen und bleibt für die Harke unerreichbar. Nur ein lauter Laubbläser schafft es vielleicht noch, das Beet zu säubern. Außerdem bringen Wind und Regen Blütenpollen in den Garten. Diese sammeln sich in Nischen zwischen den Steinen und bilden irgendwann ein brauchbares Substrat für Unkräuter. Die Pflege wird mühsam. Da Hacken nicht geht, die Klingen oder Zinken der Geräte prallen an den Steinen einfach ab, und Rausziehen auch nicht, dabei reißen die Pflanzen ab und treiben neu aus, greifen viele zur nicht erlaubten tödlichen Giftmischung aus dem Gartenmarkt, um die unerwünschten Wildkräuter einzudämmen. 

Schottergärten sind rechtswidrig

Laut Landesbauordnung NRW sind Schottergärten rechtswidrig. Trotzdem haben sie sich in vielen Vorgärten in Datteln aus gebreitet. Nicht jeder Dattelner weiß, dass er mit dem Zuschütten des ehemaligen Vorgartens mit Steinen einen Rechtsbruch begeht. Das wusste selbst der Vorsitzende des  Klima-, Umwelt- und Mobilitätsausschusses nicht. Erst als er sich näher mit der Materie befasste, wurde ihm klar, dass das nicht erlaubt ist, gesteht Theo Beckmann.


​Das steht in der Landesbauordnung:

Die nicht mit Gebäuden überbauten Flächen der bebauten Grundstücke sind

1. wasseraufnahmefähig zu belassen oder herzustellen,

2. zu begrünen, zu bepflanzen und so zu unterhalten, soweit sie nicht für eine andere zulässige Verwendung benötigt werden. (§ 8 BauO NRW)

Anlagen müssen nach Form, Maßstab, Verhältnis der Baumassen und Bauteile zueinander, Werkstoff und Farbe so gestaltet sein, dass sie nicht verunstaltet wirken. Anlagen sind mit ihrer Umgebung so in Einklang zu bringen, dass sie das Straßen-, Orts- oder Landschaftsbild nicht verunstalten. (§ 9 BauO NRW)


Weiter heißt es in § 58: „Die Bauaufsichtsbehörden haben bei der Errichtung (…) sowie bei der Nutzung von Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und (…) Anordnungen eingehalten werden.“

Und dann kommt noch § 82: „Werden Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert, kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung der Anlagen anordnen.“

Durch diese Gesetzeslage ist demnach eindeutig geregelt: wer auf seinem Grundstück Kies- oder Schottergärten zulässt, müsste eigentlich bestraft werden. Doch Verwaltung und Politik in Datteln haben sich einhellig gegen eine „Schotterpolizei“ ausgesprochen.

Beratung und Aufklärung


In seiner Sitzung Ende Oktober hat der Rat der Stadt Datteln die Verwaltung einstimmig angewiesen, zum einen bei der Erstellung neuer Bebauungspläne die Anlage von Schottergärten ausdrücklich zu untersagen. Darüber hinaus hat der Rat den Auftrag erteilt, in einzelnen Dattelner Wohnsiedlungen damit zu beginnen, die Gebäudeeigentümer:innen gezielt zur Umgestaltung von grauen zu grünen Vorgärten zu informieren und zu motivieren. Als Pilotprojekte sind folgende drei Bereiche ausgewählt: In den Birken / Kreuzstraße, Memellandstraße und Markscheiderstraße / Steigerstraße.


Die Wählergemeinschaft Die Grünen unterstützt diese weitreichenden Pläne vollumfänglich; sie beteiligt sich gerne an der Beratung und Aufklärung der Bürger:innen.

„Der Kies muss weg!“

Empfehlenswerte Bücher, Broschüren oder Flyer gibt es unterdessen zu Hauf. Eine Vielzahl von ihnen nennt reichlich Gründe, warum Schottergärten das städtische Kleinklima belasten oder der Artenvielfalt im Wege stehen und deshalb möglichst schnell wieder aus dem Stadtbild verschwinden sollten.



Gegen Schottergärten sprechen folgende 7 Gründe:

  1. Schottergärten sind biologisch fast tot. ...
  2. Schottergärten schädigen den Boden. ...
  3. Schottergärten brauchen auf Dauer viel Pflege. ...
  4. Schottergärten sind schlecht fürs Kleinklima. ...
  5. Schottergärten sind teuer. ...
  6. Schottergärten haben eine schlechte Klimabilanz. ...
  7. Schottergärten sind nicht schön.


Besonders wichtig erscheint uns der Grund: Lebensraum für Insekten und Vögel


Für viele Wildtiere, wie Bienen und Hummeln, Schmetterlinge und Singvögel, sind Gärten wichtige Refugien. Wir empfehlen Pflanzungen, welche eine naturbelassene Gestaltung der Vorgärten vorsehen und neuen Lebensraum für Bienen sowie andere Insekten schaffen. Hecken als Sichtschutz, statt künstlicher Sichtschutzzäune bieten Nistmöglichkeiten für Vögel. Sie bieten – im Idealfall – mit ihrer Pflanzenvielfalt Nahrung, Unterschlupf, Kinderstube für Tiere, die in den monotonen Steingärten nicht überleben können.


„Neben den positiven Effekten für die Biodiversität und Ökologie sind auch die mikroklimatischen Verbesserungen nicht zu unterschätzen. Durch einen erhöhten Pflanzenanteil ist die Umgebungsluft merkbar kühler und verbessert gerade an heißen Sommertagen die Aufenthaltsqualität.“


Eines der lesenswertesten Bücher „gegen die Verschotterung der Vorgärten“ - auch für unerfahrene Haus- und Gartenbesitzer - ist Tjadrs Wendebourgs kurzweiliger, unterhaltsam geschriebener Ratgeber „Der Kies muss weg!“. (Eugen-Ulmer-Verlag Stuttgart 2020, 96 Seiten, 100 Farbfotos, € 12,95)

In der aktuellen Berichterstattung:


Die politische Debatte um Schottergärten in unseren


Nachbarstädten: Castrop-Rauxel, Dorsten, Marl


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